Alicia Amatriain, Erste Solistin des Stuttgarter Balletts und Kammertänzerin, gab gestern bekannt, dass sie ihre aktive tänzerische Karriere beenden und sich zum Ende der Spielzeit vom Stuttgarter Ballett verabschieden wird.
Alle Fotos © Stuttgarter Ballett
Amatriain stammt aus dem spanischen Baskenland, sie ist Absolventin der John Cranko Schule und seit 1998 Mitglied des Stuttgarter Balletts. 2002 wurde sie zur Ersten Solistin ernannt. Im März 2020 brachte Amatriain ihr erstes Kind zur Welt. Bei ihrer Rückkehr in den Ballettsaal stellte sie fest, dass sich die chronischen Beschwerden in einer ihrer Hüften drastisch verschlechtert hatten. Untersuchungen ergaben, dass die Hüfte in einem sehr schlechten Zustand war. Im März 2022 musste die Hüfte schließlich ersetzt werden, was de facto das Ende ihrer tänzerischen Laufbahn bedeutet. Ballettintendant Tamas Detrich und Amatriain suchten nach gemeinsamen Lösungen, darunter die Position der stellvertretenden Leitung der John Cranko Schule. Allerdings waren und sind die körperlichen Einschränkungen weiterhin so groß, dass Amatriain sich dagegen entschied, zumal sie als Mutter ihrer kleinen Tochter Haizea für ihr Kind da sein möchte.

Amatriain gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des Stuttgarter Balletts in den letzten 25 Jahren. Nach ihrem Eintritt in die Compagnie 1988 folgte ein kometenhafter Aufstieg, der zum einen auf ihre phänomenalen körperlichen Fähigkeiten und zum anderen auf ihrer tiefgründigen Interpretation der Hauptrollen in vielen Handlungsballetten beruhte. Ihr Repertoire umfasste alle wichtigen Rollen des klassischen, neo-klassischen und zeitgenössischen Repertoires sowie John Crankos Julia, Tatjana, Katharina und Odette/Odile, dazu John Neumeiers „Kameliendame“, Blanche Dubois in „Endstation Sehnsucht“ und Desdemona in „Othello“. Namhafte Choreografen wie Mauro Bigonzetti, Jorma Elo, Itzik Galili, Marco Goecke, Douglas Lee, Wayne MacGregor, Kevin O’Day, Christian Spuck sowie Demis Volpi kreierten Rollen für sie. Sie gewann mehrere wichtige Preise, darunter den Prix Benois de la Danse, den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“, den Premio Apuliarte, den Positano Premio la danza und „El Ojo Critico“. Außerdem wurde sie mehrfach eingeladen, am „World Ballet Festival“ in Japan teilzunehmen, trat mehrmals auf Einladung des italienischen Tanzstars Roberto Bolle bei seinen „Bolle and Friends“-Galas auf und gastierte u.a. am Teatro Colón, beim Ballet Nacional de Cuba und beim English National Ballet.

Angesichts dieser beachtlichen Karriere sagt Alicia Amatriain zu ihrem Abschied: „Ich verspüre nichts als Dankbarkeit für alles.“ Das Stuttgarter Ballet wird Alicia Amatriain sehr vermissen. Ballettintendant Tamas Detrich: „Alicia Amatriain hat beim Stuttgarter Ballett Geschichte geschrieben. Wir bedanken uns bei ihr für viele unvergessliche Vorstellungen und Sternstunden, für ihren hingebungsvollen Einsatz für die Compagnie und den Tanz. Sie wird auf immer ein Teil unserer Ballettfamilie und in unseren Herzen sein.“

Eine öffentliche Verabschiedung ist am Dienstag, 12. Juli 2022 bei einer Vorstellung von John Crankos „Onegin“ geplant. Dabei wird Alicia Amatriain nicht tanzen, sich aber auf der Bühne ein letztes Mal vor ihrem Publikum und ihren Fans verbeugen.
PM