Pierre Lacotte, Foto Opéra Garnier
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Pierre Lacotte gestorben

Der französische Tänzer, Ballettmeister und Choreograf Pierre Lacotte ist am 10. April 2023 in Seyne-sur-Mer gestorben. Er war am 4. April 91 Jahre alt geworden. Lacotte hatte sich auf Klassiker-Neuinszenierungen und Rekonstruktionen spezialisiert, schuf aber auch eigene Literaturadaptionen wie zuletzt 2021 „Le Rouge et le Noir“ nach Stendhal für das Ballett der Pariser Opéra.

Pierre Lacote, Foto Paris Opéra National

Lacotte wurde 1932 in Chatou geboren, 1946 kam er ans Ballett der Pariser Oper und stieg dort 1951 zum Premier Danseur auf. Zu seinen Lehrern gehörten Berühmtheiten wie Ljubov Egorova, Carlotta Zambelli und Serge Lifar. 1955 verließ Lacotte die Opéra und tanzte als freischaffender Künstler, dann gründete er Les Ballets de la Tour Eiffel, leitete die Ballets des Jeunesses Musicales de France und choreografierte Werke wie „Hamlet“ (1964) oder „La Voix“. 1968 heiratete er die Ballerina Ghislaine Thesmar. Seit 1971 war er Ballettlehrer an der Pariser Opéra und spezialisierte sich dann auf die Neuinszenierung klassischer Ballette, vor allem aus der romantischen Zeit: Lacotte war einer der ersten Choreografen, die sich um die Urfassungen alter Werke bemühten. So schuf er 1971, zunächst fürs Fernsehen und 1972 auch für die Bühne der Opéra, „La Sylphide” mit Ghislaine Thesmar und Michaël Denard. Lacottes Fassung folgt nicht Auguste Bournonville, wie die meisten unserer heutigen Inszenierungen, sondern geht über Bilder, Texte und Aufzeichnungen bis zur Uraufführungsfassung von Filippo Taglioni zurück, die Musik stammt von Jean Schneitzhoeffer. Lacottes Version gilt als Musterbeispiel für den französischen Stil des romantischen Balletts; er rekonstruierte keine Schritte nach Tanzschriftnotaten (die es von diesem Werk nicht gibt), sondern choreografierte „im Stile von“ Filippo Taglioni. So hielt er es auch mit seinen nachfolgenden Rekonstruktionen, etwa nach Arthur Saint-Léon („Coppélia“, „Vivandière Pas de six“) oder nach Joseph Mazilier (“Marco Spada”). „Der Feensee“ entstand 1995 nach Taglioni fürs Ballett der Berliner Staatsoper unter den Linden, „Die Tochter des Pharao“ 2000 nach Petipa fürs Bolschoi, „Paquita“ nach Mazilier und Petipa 2001 in Paris, „Ondine“ nach Jules Perrot fürs Mariinsky 2006. Neben weiteren Ausgrabungen von Taglioni oder auch Michail Fokine inszenierte Lacotte Klassiker wie „Giselle“, „Schwanensee“ oder „Der Nussknacker“, zum Teil an mehreren Häusern, seine Fassungen wurden oft nachgespielt.

Von 1985 bis 1988 leitete Lacotte gemeinsam mit seiner Frau Ghislaine Thesmar die neu gegründeten Ballets de Monte-Carlo, wo er u.a. ein Ballett nach Stefan Zweigs Novelle „Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau“ schuf. Von 1991 bis 1999 leitete er das Ballet National de Nancy et de Lorraine, dort schuf er 2010 “Die drei Musketiere”. In Frankreich wurde er zum Commandeur des Arts et Lettres ernannt, 2022 erhielt er den Lifetime Achievement Award 2022 des Prix de Lausanne.