Martina Piacentino in "Frida"© Jan-Pieter Fuhr
Kritiken

FRIDA – Tanztheater von Ricardo Fernando

Verbunden mit Leid, Schönheit und Tod

von Renate BAUMILLER-GUGGENBERGER

Mit einem Body-Painting der besonderen ART klingt die Augsburger „Frida“ aus und das ist ganz wörtlich zu nehmen. Die gesamte Company formiert sich im Finale zu einem bemerkenswert homogenen Chor. Motiviert vom fantastischen Gitarrenspiel des künstlerischen Multi-Tasker Nikolaos Doede intonieren die 17 Tänzer*innen das mit Ohrwurmqualität ausgestattete mexikanische Volkslieds „La Llorona“, skandieren eindringlich die Strophen, die von Martyrium, Trauer und Liebe künden, während sie den Körper von Chiara Zincone, die an diesem Tag der Titelfigur ein tänzerisch eindrucksvolles Profil verleiht, mit den Händen bemalen.

© Jan-Pieter Fuhr

Die verwendeten Farben leuchten um die Wette mit den ihnen zugeschrieben Symbolgehalten: Gelb steht für Angst, Wahnsinn und Krankheit ebenso wie für Sonne und Freude, Marineblau für Zärtlichkeit und Distanz, Grün für schlechte Nachrichten und gute Geschäfte und Rot natürlich für Blut, für das pulsierende Herz, das immer wieder auch in den Selbstbildnissen von Frida Kahlo auftaucht. Fridas dynamisch und emotional bewegte „Community“, ihre Brüder und Schwestern im Geiste, ihre Wegbegleiter*innen kreisen sie ein, hieven sie am Ende auf die Schultern, verleihen ihr die Flügel, mit denen ihre Bewegungseinschränkung entflieht, bekennen Farbe, formulieren Sympathie und Empathie mit dieser zierlichen, Würde und Erhabenheit ausstrahlenden, nonkonformen Frau, die trotz allem das „Viva la vida“ zu ihrem Lebensmotto erklärte.

Martina Piacentino in „Frida“ © Jan-Pieter Fuhr

Von der mexikanischen Regierung wurde sie offiziell zum „nationalen Kulturgut“ erklärt – ihre Popularität ist bis heute weltweit ungebrochen und 2024  jährte sich am 13. Juli ihr Todestag zum 70. Mal. Nicht zuletzt seit der packenden Filmbiografie mit Salma Hayek (2002) ist die schillernde, revolutionär ambitionierte lateinamerikanische Malerin eine Heldin, wie sie sonst nur im fiktiven Dreh-Buch steht. Eine couragierte Persönlichkeit, die insbesondere auch zahlreiche Künstlerkolleg*innen zu immer neuen Opern-, Schauspiel- oder eben im Moment einigen Tanzproduktionen (u.a. auch in Salzburg und Wien) inspiriert. Die Art, ihr Leben anzunehmen, es trotz all der Schicksalsschläge, gravierender körperlichen Verletzungen und seelischen Rückschläge zu meistern, indem sie persönliche Erfahrungen in ihren Bildern verarbeitet, bleibt beeindruckend, bietet hinreichend Kolorit und fesselnden Stoff für die Bühne.

Aus 18 sanft ineinanderfließenden Mosaiksteinen komponierte in seiner 8. Spielzeit der Augsburger Ballettchef Ricardo Fernando seinen „FRIDA“-Tanzabend. Wohlweislich intendierte er kein Biopic mit chronologisch-faktischer Konkretheit, sondern fokussierte sich auf ihre Gefühlswelt und damit auf Isolation und Einsamkeit, Schmerz, Verlust, Obsession, ausgetobte (Tanz)Lust und leidenschaftliche Hingabe u.a. an ihren Mann Diego Rivera. Dafür tauchte er in den Kosmos ihrer ikonischen Bilder und Motive ein, ließ in den „Vier Gemälden“ einen Vogel, einen Hirsch, eine Blume und einen Schmetterling flattern und schweben und solistisch zum Leben und zur Inspirationsquelle der Malerin erwachen. Auch in „Frida“ blieb Fernando seinem choreografischen, nicht allzu variantenreichen Credo von Bewegungsfluss, Leichtigkeit und Unterhaltung treu, setzte Kontext-Wissen des Publikums voraus, das (überflüssigerweise) an einer Stelle zum Salsa-Tanz aufgefordert wird.

 © Jan-Pieter Fuhr

Ein Schachzug ist die Einführung des personifizierten Tods „La muerte“ (Afonso Pereira), der wie in einem Albtraum als schwarzes Riesen-Insekt mit grusligen Flackeraugen schon der jungen Frida (großartig: Julie Raiss) bedrohlich nahekommt. Er überschattet ihr Dasein, bis sie sich als ebenbürtige Partnerin diesem lebenslänglich riskanten Totentanz entgegenzustemmen lernt. Mit kühlem Furor, Rasanz und Präzision „verkauften“ am Ende auch die vom männlichen Ensemble inkorporierten „Los muxches“ sich und ihren rasanten Fächertanz.

Martina Piacentino und Chiara Zincone in „Frida“ © Jan-Pieter Fuhr

Einmal mehr nutzte Fernando sein vorzügliches Gespür für das Potential eines maßgeschneiderten Sounddesigns (David Nigro), der gemeinsam mit der raffiniert-geschmackvollen Bühnen- und Kostümausstattung von Pascal Seibicke die Temperatur aufheizte, die mit Standing Ovation dankenden Zuschauer mitnahm und im 90-minütigen Farbrausch dieser Frida-Hommage konsequent südamerikanisches Fiesta-Flair verlieh.