Demis Volpi “The thing with feathers”, Jack Bruce, Maria Luisa Castillo Yoshida Foto: Bettina Stöß
Kritiken

„Favourite Things“ zum Abschied von Demis Volpi in Düsseldorf und Duisburg

von Viola GRÄFENSTEIN

Die Ballettcompagnie der Deutschen Oper am Rhein und Düsseldorf hat sich mit zehn Ballettstücken von ihrem Ballettdirektor und Chefchoreographen Demis Volpi nach vierjähriger Zusammenarbeit verabschiedet. Der Choreograph wechselt nach Hamburg.

Mit einem Querschnitt aus vier Jahren hat die Ballettcompagnie gezeigt, wie vielseitig und talentiert sie ist. „Ich hatte hier eine große künstlerische Freiheit und Unterstützung. Ich danke meiner Compagnie und allen Beteiligten sowie dem Publikum für ihr Vertrauen und die enorme Hingabe über die Jahre“, sagte Demis Volpi gleich zu Anfang des Ballettabends. Volpi betonte, wie sehr er die Zeit am Opernhaus Düsseldorf und Duisburg geschätzt habe, die ihm so viel Freiraum als Choreograph und Ballettdirektor ließ. „Ich möchte mich auch sehr für die Offenheit des Publikums bedanken, das in der Pandemie mit uns durchgehalten, uns die Treue gehalten und sich auf meine Stücke eingelassen hat“, sagte Demis Volpi.

Die Stücke, die der Deutsch-Argentinier mit dem Talent zum Geschichtenerzählen, in den letzten vier Jahren kreierte und zeigte, konnten nicht gegensätzlicher sein. Zu ihnen zählten Klassiker wie „Giselle“ und „der Nussknacker“, die er zum Teil ganz neu erzählte, aber auch abstrakte Ballette wie „Surrogate Cities“, das großstädtischem Lebensgefühl nachspürt oder das hochgelobte Stück „Krabat“, ein Handlungsballett nach Otfried Preußler. In „Favourite Things“ wollte Demis Volpi seinem Publikum noch einmal mit von ihm selbst und seinen Tänzern ausgesuchten Stücken einen Querschnitt seiner vierjährigen Arbeit präsentieren. „Die zehn Stücke sind eine enorme Herausforderung, da hier heute Abend viele Kostüm-, Licht- und Technikwechsel stattfinden“, so Volpi. Zu den Choreografien zählten Stücke von William Forsythe, Hans van Manen, George Balanchine, Dominique Dumais, Neshama Nashman sowie Stücke von ihm selbst, darunter die zwei Uraufführungen „Fly“ und „Final Curtain“.

William Forsythe „Artifact II”, Gustavo Carvalho, Elisabeth Vincenti, Ensemble Ballett am Rhein, Foto: Bernhard Weis
Demis Volpi „Ebony Concerto“, Miquel Martínez Pedro, Futaba Ishizaki, Foto: Bernhard Weis

Das Ensemble begann zu Musik von Bach mit einem seiner Lieblings-Tanzstücke von William Forsythe, „Artifact II“. Es ist ein ständiger Wechsel zwischen geometrisch-abrupten Figuren, die maschinenhaft wirken sowie fließenden Kombinationen, die das Maschinenhafte und die Starre wieder auflösen. In Hans van Manens „Solo“ beweisen Kauan Soares, Daniele Bonelli und Orazio Di Bella Tanz von höchster tänzerischer Eleganz, Kraft und Präzision.

In dem Ausschnitt von „A kiss to the world“ von Dominique Dumais mit der Musik von Ludwig van Beethoven zeigte das Ensemble erneut ausdrucksstark eine Ode an die Freude, an die Beziehung sowie an die Natur und begeisterte das Publikum an diesem Abend wie auch schon zur Premiere des Balletts im Januar dieses Jahres.

Demis Volpis eindrucksvolles Stück „The Thing with Feathers” ist angelehnt an ein Gedicht der amerikanischen Lyrikerin Emily Dickinson. Das Stück zu Musik von Richard Strauss ist eine Huldigung an Individualität und den Glauben an fürsorgliche Mitmenschlichkeit.

Neshama Nashman „And my beloved“: Daniele Bonelli, Paula Alves, Foto: Ingo Schaefer
Dominique Dumais „ A Kiss to the World “, Ensemble Ballett am Rhein, Foto: Ingo Schaefer

Mit dem Ballett „Ebony Concerto“ gönnte sich Demis Volpi im zweiten Teil ein eigenes Stück, wie er zur Eröffnung selbst sagte. Zu Igor Strawinsky zeigten Futaba Ishizaki und Miquel Martinez Pedro ein Duett von höchster tänzerischer Präzision und kraftvollem Ausdruck.

Außerdem gab es gleich zwei Überraschungen an diesem Abend: Demis Volpi legt großen Wert auf die Förderung junger Choreographen und Choreographinnen. Die Tänzerin und Choreographin Neshama Nashman bewies mit ihrem Stück „And my beloved“, wie sehr Tanz ein Publikum in den Bann ziehen kann. Zu der Musik von David Lang holte sich die Choreographin Paula Alves und Daniele Bonelli auf die Bühne, die in ihrem vertanzten Liebesgedicht, harmonisch miteinander zu verschmelzen schienen. „Durch mein Stück möchte ich ein Liebesgedicht vortragen, in Anerkennung der Liebe, die im Mittelpunkt all der magischen Momente stand, die wir in den letzten vier Spielzeiten auf und hinter der Bühne erlebt haben. Diese Liebe hat uns als Gemeinschaft die Energie und Motivation gegeben, zu erforschen, zu teilen und über uns selbst hinauszuwachsen“, sagte Neshama Nashman.

Die zweite Überraschung des Abends war ein Stück zum Klimawandel. Volpi zeigte damit, dass er sich als Choreograph versteht, der sich keinem aktuellen Thema verschließt, sondern sich, ganz im Gegenteil, künstlerisch mit den Themen der heutigen Zeit künstlerisch auseinandersetzt. Im Januar hätte er einen Anruf von einer Klimaaktivistin von Climate Basecamp erhalten, so Volpi, die ihn darum bat, auf dem Klimagipfel in Davos im Rahmen von „Performing Hope in the face oft he Climate & Nature Crisis“ den Menschen durch ein Ballettstück Hoffnung zu schenken. Demis Volpi sagte sofort zu. „Ich habe zwei Tänzer gefragt, ob sie in Davos im Schnee tanzen würden. Es hat mich so beeindruckt, dass Lara Delfino und Damián Torio sofort mitmachen wollten“, so Volpi. Das Publikum erlebte in Form eines Videos auf großer Leinwand ein berührendes und ungewöhnliches Pas de Deux im Schnee vor einer beeindruckenden Bergkulisse und bedankte sich dafür mit langem Beifall.

Mit „Final Curtain“ huldigte Demis Volpi den Tänzerinnen und Tänzern seiner Ballettcompagnie. „Ich habe mit allen Tänzern separat gearbeitet. Alle durften ihre eigenen künstlerischen Vorstellungen in das Schlussstück zu Musik von Lester Bowie miteinbringen“, sagte Volpi. Heraus kam ein wunderbares, abwechslungsreiches und besonders schwungvolles Stück, das jedes einzelne Talent dieser Compagnie, zur Geltung brachte.

Insgesamt waren die zehn Ballettstücke ein wunderbarer Rückblick der vierjährigen Schaffenszeit von Demis Volpi als Ballettdirektor und Choreograph des Ballett am Rhein. Zur Abrundung hätte dem Reigen kleiner und feiner Choreografien an diesem Abend noch ein Stück mit etwas mehr Kraft, Innovation und tänzerischer Dynamik gutgetan. Das Düsseldorfer und Duisburger Publikum bedankte sich mit nicht enden wollendem Applaus in der ausverkauften Rheinoper bei dem scheidenden Ballettdirektor Demis Volpi, der in der nächsten Spielzeit als Nachfolger von John Neumeier als Intendant nach Hamburg wechselt.