Der amerikanische Choreograf William Forsythe, ehemaliger Ballettdirektor in Frankfurt am Main, hat den diesjährigen Kyoto-Preis zugesprochen bekommen, eine alljährlich verliehene Auszeichnung für überragende Leistungen in Wissenschaft und Kunst. Der Preis ist mit ca. 600.000 Euro dotiert und wird seit 1985 in den drei Kategorien Technologie, Grundlagenforschung und Kunst/Philosophie vergeben. Er wird auch „der Nobelpreis der Künste“ genannt und gilt als eine der höchsten Auszeichnungen für Verdienste um Wissenschaft und Kultur. Aus dem Bereich Tanz wurden, neben zahlreichen Komponisten, Architekten, Autoren, Philosophen etc., bisher nur Maurice Béjart, Pina Bausch und John Neumeier damit ausgezeichnet.
In der Begründung heißt es, dass mit Forsythe der Choreograf ausgezeichnet werde, „der den darstellenden Künste einen neuen Horizont eröffnete, indem er die Methodik und Ästhetik des Balletts und des Tanzes radikal erneuerte. William Forsythe stellt die Struktur und den Stil des traditionellen Balletts radikal in Frage und dekonstruiert sie, um neue Methoden und eine neue Ästhetik des Theatertanzes zu schaffen. Noch immer geht er über das konventionelle Konzept der Choreografie hinaus und erweitert das Potenzial der Kunstform unter Verwendung des menschlichen Körpers durch die unterschiedlichsten, innovativen Werke.“
Und weiter: „Forsythes Originalität geht über das herkömmliche Konzept der Choreographie hinaus, bei dem Choreografen Bewegungen und Posen für die Konsistenz der Erzählung und der Stile konzipieren und die Tänzer sie dann ausführen. Forsythe leistete Pionierarbeit mit einer verblüffenden Methodik zur Erweiterung des Improvisationspotenzials, die es den Tänzern ermöglicht, Bewegungen während der Aufführung spontan zu entwickeln. Um diese Methode bekannt zu machen, produzierte Forsythe ‚Improvisation Technologies. A Tool for the Analytical Dance Eye‘ (1994, 1999) – ein digitales Lernmaterial, das gleichzeitig Körperbewegungen, verbale Beschreibungen und Animationen zeigt, um diese Bewegungen nachzuvollziehen.
Darüber hinaus untersucht Forsythe die menschliche Körpererfahrung und die Prinzipien der darstellenden Kunst in einer Reihe von Arbeiten, die er ‚Choreographic Objects‘ nennt, sie umfassen Installationen und Videos. (…) Unter den westlichen Kunstformen, von denen die meisten von visuellen und auditiven Empfindungen dominiert werden, sind das moderne Ballett und der Tanz deshalb so wichtig, weil sie die unmittelbare Körperlichkeit hervorheben und neue Orientierungen in Kunst und Philosophie aufzeigen. Forsythe steht seit fast 50 Jahren an der Spitze dieser Bewegung, und die grundlegende Wirkung seiner Errungenschaften wird bis weit in die Zukunft hinein unbestritten bleiben.“
William Forsythe wurde 1949 in Long Island, New York geboren, er studierte u.a. an der Schule des Joffrey Ballet, wurde 1973 von John Cranko ans Stuttgarter Ballett engagiert und begann dort 1976 mit dem Pas de deux „Urlicht“ zu choreografieren. Von 1984 bis 2004 leitete er das Frankfurter Ballett, von 2005 bis 2015 die Forsythe Company in Frankfurt und Dresden.