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Spezial

TANZMEDIZIN mit ta.med: Warm-up und Warm-down für Tanzende

Eine Betrachtung aus medizinischer Sicht

Der ästhetische Hochleistungssport Tanz bedarf fachgerechten Trainings – sowohl im Studio als auch für die Bühne. Fundierte Informationen zu Prävention, Training und Umgang mit Verletzungen für Laien bis Profis bietet ta.med – Tanzmedizin Deutschland e. V. im Rahmen eines umfangreichen Aus- und Fortbildungsprogramms an.

Schluss mit den falschen Informationen!

Warm-up ist essenzielles Training für die Fitness des Körpers. Es ist KEIN Zusatz-Training und gehört daher IN den Unterricht! Wer denkt, sich durch Fahrradfahren zum Unterricht, das einfache Wiederholen von Tanzsequenzen oder Choreografien etc. oder gar die Ballett-Stange aufzuwärmen, liegt leider gänzlich falsch.

Ein Warm-up soll den Körper leistungsfähig für die zu erwartenden Übungen machen! Es dient zur Vorbereitung auf die kommende Belastung der Gelenke, Muskeln, Faszien, des kardio-vaskulären Systems und des Nervensystems. Muskeln und Sehnen sollen geschmeidiger gemacht, die Durchblutung der Peripherie gefördert, die Körpertemperatur erhöht und die freie, koordinierte Bewegung gefördert werden [5, 12–14].

Dance-Science-Wissenschaftler*innen empfehlen für ein adäquates Warm-up diese Inhaltsfolge: Gelenke-Warm-up, Roll-down, Füße-Übungen, Pliés, Sprünge/Kardio-Training, Bauchmuskeln/Core-Training und einen Kurz-Stretch [5, 11, 18].

Warm-up – Prävention, Fitness, Tanztraining und Spaß in Ei-nem, Foto: Razoomanetu (Adobe Stock)

 Stretching: Viele Studien – ein Fazit

Das Thema Stretching wird in der Tanzszene immer noch kontrovers diskutiert. Dehnen steigert die Flexibilität – das steht außer Frage. Belastung und Schmerz sollten dabei jedoch vermieden werden[2]. Stretchen ist eben nicht gleich Stretchen[12].

Besonders beim Dehnen im Warm-up sind aus Präventionsgründen Contract-Release-Techniken zu bevorzugen, um die Muskeln vorzubereiten und nicht schon vor der Belastung auszudehnen [3].

Sarkomere – Was bei der Dehnung des Muskels passiert, Foto: designua (Adobe Stock)

Langes, statisches Dehnen der großen Muskelpartien vor der kommenden Belastung im Unterricht (wie häufig im klassischen Tanz zu finden) grenzt aus tanzmedizinischer Sicht an fahrlässige Körperverletzung und ist daher unbedingt zu vermeiden. Warum? Während des intensiven statischen Dehnens werden die Muskelfasern (vgl. Bild 3 „Sarkomere“) so stark auseinandergezogen, dass sie ihre Aufgabe – sich zur richtigen Zeit schnell wieder zusammenziehen und dehnen zu können – im anschließenden, anstrengenden und Kraft-erforderlichen Teil des Unterrichts leider nicht mehr entsprechend wahrnehmen können. Tanzlehrerende und Tanzende sollten davon absehen, sich beim Aufwärmen ausschließlich auf statische Dehnungen zu verlassen. Zusätzlich zu den eher kurzen statischen Dehnungen sollten unbedingt dynamische Dehnungen einbezogen werden[8].

Fitness im Tanz zur Prävention von Verletzungen

Bei schlechter Fitness ermüdet der Körper schneller und das Verletzungsrisiko steigt[1, 4, 16]. Das persönlich erforderliche Fitness-Level kann über die Formel 200 – Alter x 70% festgestellt werden. Dieser Wert sollte über längere Zeit (ca. 10-15 Min.) ohne Probleme gehalten werden können. Für Profis sogar 220 – Alter x 70%, da bei ihnen das kardio-vaskuläre und respiratorische System deutlich mehr und über längere Zeit in Anspruch genommen werden. Leider sorgt Tanztraining allein nicht für die erforderliche Fitness[16]. Eine Verbesserung des kardio-respiratorischen Systems kann z. B. durch den „Dance Aerobic Fitness Test“ für Laien bis Profis erzielt werden [17].

Warm-down – Den Körper auf die Regeneration vorbereiten, Foto: kohanova1991 (Adobe Stock)

Warm-down ≠ Cool-down

Das Warm-down ist als Training zur Regeneration des Körpers zu verstehen. Es soll den Körper zurück zur Normalität bringen [6, 10], die Regeneration der Muskeln beschleunigen, das Verletzungsrisiko minimieren, den Parasympathikus für das Wiederherstellen der Energiereserven aktivieren, die Regenerationsfähigkeit des Skelettmuskels gewährleisten [9, 10] und das Immunsystem stärken, da der Körper nach abruptem Aufhören anfällig für kleinere Infektionen sein könnte [10]. Die Inhalte eines Warm-downs sind nicht abhängig von der Tanzform, sondern vom Level der Tänzer*innen und den vorangegangenen Belastungen.

Hinweis: Stretching selbst ist kein gutes Mittel, um sich des leidigen Muskelkaters zu entledigen [7]. Beim Muskelkater handelt es sich um Mikroverletzungen (Risse) innerhalb der Muskelfasern, die durch übermäßige, eventuell ungewohnte Belastung im Unterricht/Training entstanden sind. Dehnen zieht diese Strukturen noch weitere auseinander – eine Regeneration wird dadurch erschwert. Leichte Vibrationen können die tiefensensible Nerven-Muskel-Kommunikation erhöhen, was zu Schmerzreduzierung, Verbesserung der Stimmung und möglicherweise zur Verbesserung der Lymphdrainage führen kann [15]. Eine aktive Erholungsphase wie Wandern, Radfahren, andere Sportarten etc. reduziert den Laktatgehalt im Blut[10], ausreichend Ruhephasen sollten eingehalten werden, da all dies zur Regeneration nach einem Training beiträgt.

Gerd Mittag


 

ta.med e. V.  ist ein gemeinnütziger Verein aus Deutschland, der sich seit 25 Jahren für mehr Gesundheit im Tanz und für mehr Gesundheit durch Tanz einsetzt. Ein Netzwerk aus Ärzt*innen, Therapeut*innen, Trainer*innen, Tänzer*innen und Pädagog*innen engagiert sich dafür, Tanzen in allen Arten und Sparten nachhaltiger, gesünder und aufgeklärter zu gestalten. Dabei stützt sich der Verein auf seine drei Säulen: Ausbilden; ta.med bietet Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung im tanzmedizinischen Bereich für verschiedene Zielgruppen, u.a. gibt es in Kooperation mit der Universität Bern einen berufsbegleitenden Master-Studiengang in Dance Science. Beraten; bei tanzmedizinischen Problemen rund um die Themen Ernährung, Trainingsplanung, Rehabilitation nach Verletzung und Verletzungsprävention uvm. steht den Mitgliedern von ta.med ein umfassendes Beratungsangebot zur Verfügung. Vernetzen; der Verein ist eine Schnitt- und Anlaufstelle für alle tanzmedizinisch Interessierten und veranstaltet Workshops, Symposien und Kongresse zum Austauschen, Netzwerken zur interdisziplinären Wissensvermittlung.


Literaturangabe zum Download via www.tamed.eu/presse

  1. Ambegaonkar JP (2005) Dance Medicine. At the University Level. Dance Res. J. 37(2):113–119. doi:10.1017/S0149767700008640
  2. Apostolopoulos NC (2005) Microstretching®. A new recovery regeneration technique. University of Toronto. https://www.researchgate.net/publication/229070493. Zugegriffen: 22. Juni 2019
  3. Buck M, Beckers D (2019) PNF in der Praxis. Eine Anleitung in Bildern. Unter Mitarbeit von Susan Adler, 8. Aufl. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg
  4. Major K (2017) Perceived Importance of Resistance Training in Collegiate Dancers. Graduate Theses
  5. Mittag G (2018) Suggestion for pedagogical & didactic teaching approaches in the field of Middle Eastern Dances (MED). Masterthesis, University of Bern
  6. Mittag G (2021) Warm-down für Tanzende. Was? Wann? Wie viel? Zertifikat Tanzmedizin – ta.med e. V. – Gemeinnütziger Verein für Tanzmedizin, 3. Aufl. ta.med e. V. – Zertifikat Tanzmedizin, München
  7. Monnin D, Winteler B (2018) Le stretching n’est pas un bon moyen pour prévenir et traiter les contractures. Kinésithérapie, la Revue 18(194):13–14. doi:10.1016/j.kine.2017.11.081
  8. Morrin N, Redding E (2013) Acute Effects of Warm-up Stretch Protocols on Balance, Vertical Jump Height, and Range of Motion in Dancers. J Dance Med Sci 17(1):34–40. doi:10.12678/1089-313X.17.1.34
  9. Musarò A (2014) The Basis of Muscle Regeneration. Hindawi Publishing Corporation:1–16. doi:10.1155/2014/612471
  10. Reilly T, Ekblom B (2005) The use of recovery methods post‐exercise. J Sports Sci 23(6):619–627. doi:10.1080/02640410400021302
  11. Ryan, Deci (2000) Intrinsic and Extrinsic Motivations: Classic Definitions and New Directions. Contemp Educ Psychol 25(1):54–67. doi:10.1006/ceps.1999.1020
  12. Smith CA The Warm-Up Procedure: To Stretch or Not to Stretch. A Brief Review
  13. Soligard T, Myklebust G, Steffen K, Holme I, Silvers H, Bizzini M, Junge A, Dvorak J, Bahr R, Andersen TE (2008) Comprehensive warm-up programme to prevent injuries in young female footballers: cluster randomised controlled trial. BMJ 337:a2469. doi:10.1136/bmj.a2469
  14. Stevanovic VB, Jelic MB, Jelic Milanovic SD, Filipovic SR, Mikic MJ, Stojanovic MD (2019) Sport-Specific Warm-Up Attenuates Static Stretching- Induced Negative Effects on Vertical Jump But Not Neuromuscular Excitability in Basketball Players. Journal of Sports Science and Medicine 18:282–289
  15. Veqar Z, Imtiyaz S (2014) Vibration Therapy in Management of Delayed Onset Muscle Soreness (DOMS). J Clin Diagn Res 8(6):LE01-4. doi:10.7860/JCDR/2014/7323.4434
  16. Wyon M, Kolokythas N (2019) Can Off-Studio Training be a Tool for Enhancing Elements of Dance Performance? 8(8):1–14
  17. Wyon M, Redding E, Abt G, Head A, Sharp NCC (2003) Development, Reliability, and Validity of a Multistage Dance Specific Aerobic Fitness Test (DAFT). Journal of Medicine & Science 7(3):80-84(5)
  18. Young WB, Behm DG (2002) Should Static Stretching Be Used During a Warm-Up for Strength and Power Activities? Strength and Conditioning Journal 24(6):33–37. doi:10.1519/00126548-200212000-00006