Drei Weltmeisterschaften der World Dance Organisation in München
von Ute FISCHBACH-KIRCHGRABER
Wie es aussieht, wenn man dem Tanzen wieder mehr Glamour und Freude zurückgibt, konnte man jetzt in München erleben, wo gleich drei Weltmeisterschaften der World Dance Organisation stattgefunden haben. Dirk Bastert, der Executive Director Secretary der German Dance Organisation, hat im Alleingang mit nur wenigen Helfern gezeigt, dass es möglich ist, einen noblen Rahmen zu schaffen.
Das 5-Sterne-Hotel Sofitel, zentral gelegen am Hauptbahnhof in der ehemaligen Bayerpost, erwies sich als eine Tanzstätte, die ob der sonst üblichen Turnhallen-Ästhetik von sportlichen Tanzveranstaltungs-Orten jenen Hauch von Luxus verströmt, der das Publikum zurück lockt in die Zeit der Bälle, wenn festlich gekleidete Menschen sich dem Kosmos des Schönen öffnen.
Und es ist nicht der Rahmen allein. Bei der unglaublichen Anzahl von an zwei Tagen gebotenen Turnieren erlebten alle Tänzer ihre Wertschätzung. Auch die, die sich zum ersten Mal aufs Wettbewerbsparkett wagen, und sei es nur für einen Tanz. Jeder bekam Applaus – nicht zuletzt wegen des gezeigten Mutes, sich einem Turnier auszusetzen.
Natürlich urteilten die Wertungsrichter – aber sie inszenierten sich nicht als Halbgötter und Gegner. Wenn ein Paar sicher aus Nervosität zu schnell agierte und den Takt aus den Ohren verlor, klatschten die Wertungsrichter unisono so lange, bis sich die Tänzer wieder in der Musik einfanden. Eine äußerst sympathische Geste.
Niemand musste sich alleingelassen fühlen, niemand wurde abschätzig abgetan. Natürlich sah man, dass sich sogenannte „Fußgänger“ unter den höherklassigen Tänzern einfanden, Aber für sie ist es ein Event, live zu erleben, was Tanzen alles zu leisten vermag. Ein Ansporn, an sich zu arbeiten, um mit den Tops den ersehnten Zustand des Fliegenkönnens zu erreichen.
World Dance Organisation unterscheidet sich bekanntlich von den beiden andern verfeindeten Weltverbänden, die sich darüber bis aufs Messer bekriegen, ob Tanzen denn nun Sport oder Kunst sei. Die WDO interessiert sich ausschließlich fürs Tanzen als solches, das sicher beide Momente enthält. Aber sie zeigt sich offen für alle Entwicklungen, denn Tanzen ist ja keine in sich abgeschlossene Angelegenheit, sondern wie auch in der Historie ein lebendiger Kosmos. Tanzen ist da ein natürliches Moment, das keine aufgesetzten Akzente braucht, sondern sich aus sich selbst heraus entwickelt – was Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit hervorruft. Und eine große Freude beim Ausüben ebenso wie beim Zuschauen auslöst.
So präsentierte sich dem staunenden Publikum ein durchgehend fabelhaftes Tanzen, wie man es hierzulande eher nicht kennt – die vielbeachteten „German Open Championships” eingeschlossen. Hier konnte man erleben, wie ansteckend Harmonie wirkt, und darüber die ganze Gegenwartsmisere von Hass, Neid und Krieg für einen Abend lang aus dem Kopf bekommen.
Für viele Zuschauer eine Überraschung: die beiden Weltmeisterschaften der unter 14-Jährigen in den Standard- und Lateintänzen war alles andere als ein Kindergeburtstag. Geradezu fassungslos konnte man beobachten, welche Schrittgröße der Nachwuchs aufs Parkett brachte, welche perfekten Haltungen die Standardtänzer vorführten und welche Performance die kleinen Lateinmädels drauf haben. Das ist streckenweise besser, als es die „Großen“ zeigen können. Bei den Lateinern lagen zwei ukrainische Paare an der Spitze: Georgii Khvostov & Ahata Buzykina sowie Yehor Banov & Valeriia Zaporozhchenko. Die Standardsektion konnte ein polnisches Paar für sich entscheiden, Piotr Skwarnicki & Anastasiia Lykhodid.
Bei den etablierten Verbänden hat sich eine Reserviertheit gegenüber Zehn-Tänzern herauskristallisiert nach dem Motto: die können ja beides nicht richtig, sonst würden sie sich spezialisieren. In früheren Jahren wurde es erwartet, das ein in beiden Sektionen auftretendes Paar sich beim Übertritt zu den Professionals für nur eine Richtung entscheidet. Ein 1,82 Meter großer Mann mit rötlichen Haaren, und noch dazu Brillenträger, konnte natürlich kein „Lateiner“ werden. Selbst wenn er als Zehn-Tänzer bei internationalen Turnieren oft auf dem Lateinsektor noch bessere Plätze erzielte als beim Standardtanzen.
Diese Zeiten sind vorbei. Ebenso die verbreitete Meinung, dass nur Schwule gut Lateintanzen können. Einige Zeit mag das auch so gewesen sein. Aber das lag nicht am Schwulsein, sondern an den gesellschaftlichen Anforderungen an ein „gestandenes Mannsbild“. Das steht eben unbeweglich fest wie ein Baum und würde sich genieren, auffällige elastische Moves auszuführen.
Übrigens gab es auch eine Hemmung bei Frauen, einige laszive Latein-Posen zu präsentieren – eine Dame macht so etwas einfach nicht. Seine Hüften dermaßen exaltiert zu schwingen setzte sie sofort dem Verdacht des „Halbseidenen“ aus.
Wenn nun in München Amateur- und Professionalturniere ineinander geschachtelt stattfanden, konnte man sofort erkennen, dass man es mit den Profis zu tun hatte – was bei den Veranstaltungen der World Dancesport Federation (wozu auch die German Open gehört) nicht unbedingt gesagt werden kann. Bei der WDO ist die Performance von Professionals auf den ersten Blick erkennbar: mehr Druck zum Boden, mehr Ausgereiftheit und vor allem keine Leerstellen, die das „modische” Lateintanzen kennzeichnet.
Da werkelt das Paar wie verrückt, nur um dann einzufrieren und (gefühlt) minutenlang so zu verharren: Die Aggressivität, die sonst Amateure ihrer Darbietung beimischen, kam bei gelegentlichen Ausbrüchen hier nicht gut an. Da zeigte sich, wie kontraproduktiv überforciertes, auf Kampf ausgelegtes Tanzen wirkt. Es zerstört die Grundlagen, den Schwung, die gutes Tanzen erst ermöglichen.
Und noch eine Lehre konnte man aus der Weltmeisterschaft der ZehnTänzer der Professionals ziehen: das sind keineswegs „Stümper”, wie vor allem der sportliche Amateurverband naserümpfend befindet: Weil sie es mit einer Sektion nicht an die Weltspitze bringen, starten sie eben in zweien und mogeln sich zu Weltmeistern empor. Mitnichten. Professionals, die sich in beiden Sektionen auszeichnen, haben einen weit umfassenderen Einblick in die Welt der tänzerischen Möglichkeiten. Sie lassen sich von beiden Spielarten inspirieren und sind daher in der Lage, spielerisch interessante Impulse zu übertragen und an der Lebendigkeit von Tanzen weiterzuwirken. Dafür brauchen Zehn-Tänzer aber auch einen Verband, der tanzinhärente Innovationen erlaubt.
Bei der WDO sind sie goldrichtig. Weltmeister der Professionals über zehn Tänze ist übrigens ein deutsches Paar gewordene: Valera Musuc und Antonia Schwarz. Die beiden haben das eher museal künstlerische World Dance Council verlassen und nun bei der WDO eine neue Heimat gefunden. Dieser Verband bringt eine frische Brise, die die Tanzwelt gut gebrauchen kann.