Die Meinungsfreiheit ist neben der Unversehrtheit das höchste Gut in einer Demokratie. Doch zunehmend wird der Begriff Freiheit aus dem gesellschaftlichen Kontext gelöst. Freiheit erscheint „liberal“ gedacht als die je eigene Freiheit, die alles für sich beanspruchen darf – selbst und gerade wenn es auf Kosten anderer geht.
Die Freiheit auf Meinung ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Willkür, herauszuschreien, was einem gerade so (nicht) passt. Vergessen wird dabei, dass eine Meinung, die gegenüber anderen geäußert wird, auch begründet zu sein hat. Sonst ist sie eine rein private Angelegenheit und hat in der Öffentlichkeit, ob in den sozialen Medien oder in der Zeitung, nichts zu suchen. Es muss also Argumente geben, weswegen man eine Meinung hat. Und diese Argumente kann man dann zur öffentlichen Diskussion stellen.
Den Medien kommt da in unserer Demokratie eine herausragende Rolle zu. Sie haben die Aufgabe, die Öffentlichkeit so in Kenntnis zu setzen, dass der Einzelne nicht nur eine Ansicht vorgesetzt bekommt, sondern eine begründete Meinung, so dass er selbst für sich die Argumente abwägen kann. So sollte es ein. Doch die auflagenfördernde Gier nach Sensationen und Skandalen lässt die grundlegend ethische Grundlage, die für ein friedlichen Zusammenleben in einer Demokratie unerlässlich ist, außer Acht. Hauptsache es gibt Likes.
Wenn es gar in Missbrauch umschlägt, und der Schreibende seine Macht wittert, nicht einer Sache, sondern sich selbst und seinem Marktwert zu dienen, dann sind die Grenzen gefallen und es herrscht Krieg. Dafür inszeniert man gerne jede erdenkliche Treibjagd, um sich dann empört als Opfer zu stilisieren, wenn der in die Enge Getriebene zuschlägt.
Wer als Betroffener so eines Schreibangriffs keine Gegenöffentlichkeit mobilisieren kann, hat dann schlechte Karten – und irgendwann auch sehr schlechte Nerven. Vor allem, wenn es sich bei den Betroffenen um Personen handelt, die als Künstler hervortreten. Sie werden in ihrem ureigensten Inneren angegriffen, wenn sie kreativ und einzigartig auf der Bühne tätig sind. Sie werden als Person vernichtet.
Speziell die Kritik hat da eine tiefe ethische Verantwortung. Kritik heißt ja nicht, dass man etwas schlecht macht. Kritik bedeutet ihrem Ursprung nach seit Kants berühmten Kritiken ja nichts anders als Analyse. Es ist die Aufgabe der Kritik, das Gehörte, das Gesehene zu analysieren. Und es ist die Aufgabe, respektvoll miteinander um zugehen. Wenn eine Aufführung, ein Ballett nicht gefallen hat, dann gibt es Argumente, die weit darüber hinausgehen, dass sich der Kritiker*in gelangweilt hat. Auch persönliche Präferenzen der Schreibenden haben als solche kenntlich gemacht zu werden. Schließlich wollen wir ja alle mündigen Bürger bleiben. Und wir wollen unser Recht auf unsere Meinungsfreiheit selbst wahrnehmen.
Ute Fischbach-Kirchgraber