Wer Maria Eichwald beim Unterrichten beobachtet, könnte meinen, sie hätte ihr Lebtag nichts anderes getan, so sachte und sorgsam geht sie mit ihren Schützlingen um. Doch dem ist nicht so. Man kennt Maria Eichwald eher als Ballerina. Viele Jahre über begeisterte sie als Erste Solistin ihr Publikum in München und später in Stuttgart. Seit kurzem arbeitet sie als Pädagogin an der John Cranko Schule und vermittelt ihr gesammeltes Wissen nachfolgenden Tänzergenerationen weiter. HARTMUT REGITZ hat sie zu Werdegang, Karriere und Berufsumstieg befragt.
Sie führen einen deutschen Namen, aber Ihre Muttersprache ist…
Russisch. Zu meiner Zeit war Kasachstan noch ein Teil der Sowjetunion, Russisch galt als die verbindliche Hauptsprache.
Ihr Name lässt dennoch auf deutsche Vorfahren schließen.
So ist es. Meine Familie mütterlicherseits ist deutschstämmig, sie gehört zu der Gruppe der Kasachstandeutschen. Als Maria Sidorkina geboren, trage ich inzwischen ihren Namen.
Sie stammen aus Talgard, einer Kleinstadt in den Bergen. Natürlich fragt man sich da: Wie kommt eine Maria Eichwald zum Ballett? Ihre Mutter war keine Tänzerin…
Niemand in der Familie. Doch als Kind habe ich im Fernsehen Maya Plisetskaja in „Schwanensee“ erlebt und war so beeindruckt von all dem Märchenhaften, dass ich auf einmal wusste, was ich werden wollte: eben eine Schwanenkönigin.
Wie die meisten Mädchen vermutlich…
Ja, ich habe alle Vorhänge abgerissen und versucht, ohne Spitzenschuhe auf Spitze zu tanzen. Ich war halt ein Kind, das das Gesehene nachzumachen suchte. Damals gab es in Kasachstan, obwohl dreimal so groß wie Deutschland, nur eine einzige Ballettschule. Aber ich hatte Glück. Ballettpädagogen strömten durchs Land, um wie üblich in allgemeinbildenden Schulen nach Talenten Ausschau zu halten. Nach einem gründlichen Test zum Vortanzen wurde ich nach Alma-Ata eingeladen, wie die damalige Hauptstadt zu meiner Zeit noch hieß. Und nach einer dreitägigen Prüfung angenommen…