Die kanadische Ballerina Lynn Seymour, lange Jahre ein Star des Royal Ballet in London und eine der berühmtesten dramatischen Tänzerinnen, ist am 7. März 2023 gestorben, einen Tag vor ihrem 84. Geburtstag. Sie kreierte zahlreiche Rollen für Kenneth MacMillan und leitete vier Jahre lang das Bayerische Staatsballett.
Seymour stammte aus Wainwright in der Provinz Alberta, sie wurde als Berta Lynn Springbett im Jahr 1939 geboren. Sie studierte in Vancouver und an der Sadler’s Wells Ballet School, in der gleichen Klasse wie Antoinette Sibley and Marcia Haydée. 1956 kam sie ins Covent Garden Opera Ballet, 1957 in die Touring Company des Royal Ballet und 1958 ins Royal Ballet. Ein Jahr später wurde sie zur Ersten Solistin befördert. Sie schuf von Anfang an zahlreiche Rollen in Kenneth MacMillans Balletten, etwa in “Le Baiser de la fée“ und “The Invitation“. MacMillan kreierte die Partie seiner Julia in “Romeo und Julia” mit ihr, obwohl Margot Fonteyn dann mit Rudolf Nurejew die Premiere tanzte, ein Moment bitterer Enttäuschung für Seymour. Auch Frederick Ashton schuf Rollen für Seymour, etwa das junge Mädchen in “The Two Pigeons” (1961) neben Christopher Gable. Sie tanzte die Klassiker wie „Schwanensee“, „Giselle“, „Dornröschen“, „La Sylphide“ oder „Raymonda“. 1966 folgte sie Kenneth MacMillan als Erste Solistin an die Deutsche Oper Berlin, wo sie bis 1969 blieb und die Hauptrollen in seinem „Concerto“ und in der einaktigen Version von „Anastasia“ kreierte. Später tanzte sie auch in London die Premiere der dreiaktigen Fassung.
Von 1971 bis 1978 tanzte Seymour als Gast beim Royal Ballet, vor allem in den Werken von Ashton und MacMillan. Sie kreierte die Mary Vetsera in „Mayerling“, die Natalia Petrovna in Ashtons „A Month in the Country“ und MacMillans “Five Brahms Waltzes in the Manner of Isadora Duncan”, außerdem interpretierte sie Rollen wie Manon. Seymour gastierte bei zahlreichen internationalen Kompanien. Zu ihren Partnern gehörten neben Gable auch Rudolf Nurejew, David Wall und Richard Cragun. 1976 wurde sie zum Commander of the Order of the British Empire (CBE) ernannt. Von 1978 bis 1980 leitete sie das Bayerische Staatsballett, außerdem choreografierte sie eigene Werke für die Rambert Dance Company oder das Sadler’s Wells Royal Ballet. 1989 kehrte sie im Alter von 50 Jahren als Crankos Tatjana beim English National Ballet auf die Bühne zurück, in den 1990er Jahren tanzte sie mit Matthew Bournes Kompanie Adventures in Motion Pictures, etwa die Königinmutter in seinem „Swan Lake“. Zuletzt leitete sie das Griechische Nationalballett für die Spielzeit 2006/2007, sie war als Ballettmeisterin und Coach tätig. Als Schauspielerin trat sie in „Giselle – Dancers“ von Herbert Ross neben Michail Baryschnikow auf, außerdem spielte sie in „Wittgenstein“ von Derek Jaman die Rolle von Lydia Lopokova.
Ein Nachruf beim Bayerischen Staatsballett:
https://www.staatsoper.de/inhalte-staatsballett-home/abschied-von-lynn-seymour