von Volkmar DRAEGER
Erst im Januar hat die große Ausstellung zum 50. Todestag von Josephine Baker ihre Tore geschlossen. Näher dran am denkwürdigen Ereignis aus dem Leben jenes 1975 verstorbenen frühen Superstars des Entertainments ist nun, und wiederum in Berlin, eine weitere Ehrung. Der Wintergarten, hauptstädtisches Etablissement gehobener Unterhaltung, stellt La Baker dorthin, wo sie rund ein halbes Jahrhundert zu Hause war: auf die Showbühne. „JOSEPHINE“ nennt sich das zweieinhalbstündige Tribute-Programm, das Regisseur Rodrigue Funke im Untertitel „The Queen of Entertainment“ in offensichtlicher Liebe widmet. Zwar reicht die Spieldauer bis Februar auch nicht an den Tag im April, als Josephine wenige Tage nach ihrem letzten Auftritt einer Hirnblutung erlag. Doch Tragik ist eh nicht unbedingt Gegenstand von Shows. Deshalb feiert „JOSEPHINE“ vor allem ihre beispiellose Karriere, seit sie 19-jährig in Paris ankam – voller Hoffnung auf Erfolg. Und der stellte sich rasch ein.
Im roten Kurzmantel, einer der dominierenden Kostümfarben des Abends, taucht sie quirlig unter einer Projektion des Eiffelturms auf, singt Oden an die Stadt ihrer Wahl. Dann tanzt sie, eines ihrer Markenzeichen, wild Charleston und erinnert auch in der unvergleichlichen Mimik an das später als „schwarze Venus“ apostrophierte Revue-Original. Das aufleuchtende Brandenburger Tor weist auf Bakers Berlin-Gastspiele hin: „Küss mich, bitte, bitte küss mich“ trällert sie da. Gut beraten war das Regieteam, den berühmten Auftritt mit dem Bananengürtel nicht zu imitieren, sondern lediglich als anonyme Sequenz bei UV-Licht aufscheinen zu lassen. Auch Bakers internationale Tourneen klingen an, elegant mit Frack, Zylinder und englischem Song.
Was sich in einer Show nur schwer verhandeln lässt, jedoch für die Persönlichkeit eminent ist, wird schriftlich eingeblendet: die Proteste wegen „Sittenverfalls“; Bakers Engagement als Geheimagentin gegen die Nazis; später neben Martin Luther King die Teilnahme am Marsch auf Washington; ihr Einsatz gegen Krieg und Rassismus. „Be same mucho“ singt sie wie verloren auf einsamer Bühne, als wisse sie, dass ihre Botschaft der Gleichheit aller Menschen verhallen wird.
Nicolle Rochelle © Ben Duentsch
Besinnlich gerät auch die Reminiszenz an Les Milandes, das Schloss an der Dordogne, in dem sie diesen Traum zu verwirklichen sucht: mit dem Dutzend adoptierter Kinder aller Rassen und Religionen. Die „Regenbogenfamilie“ beschwört sie im berühmten Chanson auf deutsch, unterstützt von eingeblendeten Echtaufnahmen. Nicht fehlen darf freilich Bakers wohl bekanntestes Chanson als Reverenz an die Heimat und Paris: „J’ai deux amours“, sie drapiert mit gewaltigem Pfauenfederputz. Dass viel und gut getanzt wird, nicht nur von der Titelfigur, und dass Ausstattung eine wichtige Rolle spielt, war zu erwarten. Licht, Kostüm, Bühne und Visual Arts haben sich mächtig ins Zeug gelegt für diese so prächtige wie unterhaltsame Hommage an Josephine, die 2021 ins Pariser Panthéon der Unvergessenen aufgenommen wurde.
Rachel Dowse © Andrey Kezzyn
Duo Konjowochu ©Andrey_Kezzyn
Nicolle Rochelle, die mit der Hauptrolle in Jérôme Savarys Pariser Musical „A la Recherche de Josephine“ bereits Baker-Erfahrung mitbringt, gibt singend, tanzend und spielend eine Ahnung vom explosiven, bühnensprengenden Naturell ihres großen Vorbilds. Von Rachel Dowse als frivoler Mistinguett stammen die Choreografien, in denen wie in fast allen anderen Genres Rodrigue Funke als einstiger Artist fachkundig mitmischt. Erlesene, bereits preisgekrönte Artistik, manche als Berlin-Premiere, ist in die einzelnen Szenen eingelegt, ob Rola Rola mit Humor, diverse Jonglage, Clowneskes mit dem Cyr Wheel, Hand-auf-Hand- sowie Antipoden-Akrobatik, Sensationelles am Chinesischen Mast, exzellente Diabolo-Darbietung aus Malaysia oder ein verblüffender Kontorsionist aus Angola. Wie sich all die internationalen Beiträge in diesem dramaturgisch durchdachten Mix zu einem künstlerischen Ganzen fügen, hätte Josephine sicher gefallen, entspricht es doch dem Geist dieser zeitlosen Humanistin.