Von Mihaela VIERU
Mit „Étoile“ hat die Streaming-Welt eine seltene Brücke zur traditionsreichen Kunst des Balletts geschlagen. In acht Folgen entwirft die von Amy Sherman-Palladino und Daniel Palladino (bekannt durch „Gilmore Girls“ und „The Marvelous Mrs. Maisel“) geschaffene Serie ein feines Mosaik aus Leidenschaft, Ehrgeiz und Zerbrechlichkeit – und rückt eine Kunstform ins Licht, die im Alltag junger Zuschauer:innen oft nur als Klischee existiert.
Die Hauptrollen von Étoile: Wer sie spielt und was sie ausmacht
Luke Kirby verkörpert Jack McMillan, den Direktor des New York City Metropolitan Ballet Theater, der ebenso wie seine Pariser Kollegin gegen sinkende Zuschauerzahlen und knappe Budgets ankämpft. Charlotte Gainsbourg spielt Geneviève Lavigne, die scharfsinnige und entschlossene Interimsdirektorin des Le Ballet National in Paris, die mit einem gewagten Tänzeraustausch neue Impulse setzen will. An ihrer Seite bringt Gideon Glick als Tobias Bell innovative choreografische Ansätze aus New York in die traditionsreiche Pariser Szene. Lou de Laâge glänzt als Cheyenne Toussant, die gefeierte Haupttänzerin, deren Wechsel ins amerikanische Ensemble zur Schlüsselfigur der Intrigen wird. Ivan du Pontavice komplettiert das Bild als Gabin Roux, ein ehrgeiziger junger Tänzer aus Paris, der seine große Chance sucht, sich auf internationaler Bühne zu beweisen.
Zugegeben: Die Erzählung um eine Ballettkompanie in Paris bleibt nicht immer streng an der Realität. Wer den Alltag professioneller Tänzer:innen kennt, vermisst hier und da die Tiefe des täglichen Trainings, das zähe Ringen um technische Perfektion, die körperlichen und mentalen Routinen hinter dem Bühnenzauber. Die Ballettszenen bleiben kurz, die Trainingsszenen angedeutet – und doch gelingt es „Étoile“, eine Atmosphäre zu erschaffen, die mehr ist als reine Fiktion: Es ist die Ahnung eines Lebens zwischen Aufopferung und Schönheit.
Internationale Kritiker wie Dorion Weickmann in der Süddeutschen Zeitung oder Autoren der Times und Time Magazine loben die Serie für ihren Charme und Witz. Besonders hervorgehoben wird die Balance aus Melancholie und Leichtigkeit: „Étoile“ ist Dramedy, nicht Dokumentation. Gerade dadurch öffnet die Serie Türen für ein Publikum, das mit der Welt des Spitzentanzes vielleicht zum ersten Mal in Berührung kommt.
Dabei ist „Étoile“ mehr als Unterhaltung. Indem die Serie Institutionen wie Opernhäuser, Kompanien und Akademien in ihren heutigen Herausforderungen zeigt – Nachwuchssorgen, Finanzierungskämpfe, die Suche nach Publikum – spiegelt sie eine Realität, die der Tanzszene weltweit unter den Nägeln brennt. Sie erzählt davon, warum Ballett als Kunstform lebendig bleiben muss: Weil es eine Sprache ist, die jenseits von Worten Gefühle, Sehnsüchte und Zeitgeist einfängt.
Besonders wertvoll ist, dass „Étoile“ Eltern, Jugendliche und potenzielle Nachwuchstalente für diese Welt sensibilisiert. Wer bislang glaubte, Ballett sei bloß Hüpferei im Tutu, erhält hier einen – wenn auch verklärten – Blick auf Disziplin, Leidenschaft und die Komplexität dieser Kunst. Für Ballettschulen und Kompanien, die täglich um neue Generationen kämpfen, könnte diese emotionale Öffnung ein Segen sein.
Unser Fazit:
„Étoile“ erzählt nicht die ganze Wahrheit – aber es trifft einen Nerv. Die Serie beweist, dass die Faszination für Ballett lebt und im digitalen Zeitalter neue Wege finden kann. Vielleicht braucht es gerade solche Formate, um eine neue Liebe zum Tanz zu entfachen – auf der Bühne und auf dem Bildschirm.