Ivan Liška
über die Aktualität von Oskar Schlemmers radikaler Sichtweise
Im September jährt sich der hundertste Tag der Premiere eines der aufregendsten und radikalsten Ballette der Tanzgeschichte: Oskar Schlemmers legendäres „Triadisches Ballett“. Eine neue Sichtweise für ein neues Jahrhundert war gesucht worden, die mit allen Traditionen bricht und allem Dekorativen, Oberflächlichen etwas entgegenstellt, das zum Wesen der Dinge führt. Die Bauhaus-Idee schickte sich an, die Welt zu erobern. Nichts weniger als eine sachliche Erneuerung wurde angestrebt und die Bedeutung des Handwerks für die künstlerische Gestaltung propagiert – auch für die darstellende Kunst, die man der Guckkastenbühne entrissen hat. In einem Theaterlaboratorium widmete man sich der theoretischen und praktischen Erforschung des Verhältnisses von Mensch und Raum. Und Oskar Schlemmer wurde zum Mann der Stunde, was den Tanz betrifft. So ist es kein Wunder, dass die Kritiker das Werk verrissen, das Publikum es aber bejubelt hat.
Leider sind bis auf die Skizzen zu den futuristisch anmutenden Kostümen keine Choreografie-Angaben erhalten geblieben. Doch die Faszination dieser unglaublich mystisch und spacig anmutenden Figurinen blieb groß. So hat sich Choreograf und Tanztheaterleiter Gerhard Bohner im Auftrag der Berliner Akademie der Künste nach langjährigem Studium des Bauhaus-Archivs vor 45 Jahren darangemacht, das „Triadische Ballett“ wieder aufleben zu lassen. Der Tänzer und langjährige Leiter des Bayerischen Staatsballetts Ivan Liška und seine Frau Colleen Scott waren von Anfang an dabei, als die Puppen das Laufen wieder lernten. Er hat über zwölf Jahre hinweg zahlreiche Aufführungen weltweit absolviert – und er studiert das „Triadische Ballett“ mit dem Bayerischen Junior Ballett, das er derzeit leitet, immer wieder ein. Es dürfte kaum jemanden geben, der kompetenter ist als Liška, wenn es darum geht, das Werk nicht nur kulturtheoretisch einzuordnen, sondern mit Bühnenleben zu erfüllen.
Wir haben uns mit Ivan Liška darüber unterhalten, warum das „Triadische Ballett“ immer noch aktuell ist und nichts von seiner Anziehungskraft verloren hat…
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Fotos: Das Triadische Ballett von Oskar Schlemmer (1922) Rekonstruktion und Choreografie: Gerhard Bohner
Musik: Hans-Joachim Hespos Kostümrekonstruktion und Neufassung: Ulrike Dietrich
Auftragsproduktion Akademie der Künste, UA 1977 Neuproduktion 2014
Einstudierung: Ivan Liška, Colleen Scott/ Ein Tanzfonds Erbe Projekt
Kooperation Bayerisches Staatsballett & Akademie der Künste, Berlin
Aufführungen: 30.09./01.02.03.10. Stuttgart, 07.-08.10. Berlin. Es tanzt das Bayerische Junior Ballett München
Fotos: Wilfried Hösl / Die Kostüme sind Bestand des Gerhard Bohner-Archivs der Akademie der Künste, Berlin