Souveräner Überblick: Madis Abel und Partnerin Aleksandra Galkina Foto: Thomas Kirchgraber
BallroomPeople

Die unter 21: Standard-Weltmeister Madis Abel und Aleksandra Galkina

Auf dem Weg zu den letzten Geheimnissen des Tanzens

Die beiden sind die Shooting-Stars am Ballroom-Himmel: Madis Abel und Aleksandra Galkina. Die Standard-Weltmeister der Altersklasse unter 21 erreichen regelmäßig die Finales der weltweit ausgetragenen Grand Slams. Nun geht es darum, sich Platz für Platz an die Spitze vorzuarbeiten. Keine Frage, dass das sympathische junge Spitzenpaar zuversichtlich ist, den Haupt-Weltmeistertitel für sich entscheiden zu können. Und wer den beiden zusieht hat auch keinen Zweifel daran, dass sie ihr großes Ziel erreichen werden.

Beim Artistic Camp in München (organisiert von Ex-Weltmeister Kadjeh-Nouri), das Top-Trainer und Top-Tänzer der Welt vereint, ergab sich die Gelegenheit, mit Madis Abel und Aleksandra Galkina zu sprechen, obwohl sie da drei Tage lang ein aberwitzig toughes Programm absolviert haben mit fast ununterbrochenem Stunden-Nehmen und Stunden-Geben – ohne die geringste Ermüdungserscheinung. „Tanzen könnte ich tagelang“ meint Madis Abel lächelnd, wenn man ihn auf diesen Parforce-Ritt anspricht.

Gute Laune und Intensität bestimmte unser Gespräch
Foto: Thomas Kirchgraber
Maximal elastisch: Aleksandra Galkina und Madis Abel
Foto: Thomas Kirchgraber

Madis Abel und Aleksandra tanzen seit gut sieben Jahren zusammen. Und dass diese Kombination passt, zeichnete sich bereits beim ersten Probetraining der Teenager ab. Dabei war es kein Vorschlag der Trainer, dass sie es miteinander versuchen. Madis Abel hatte keine Partnerin und suchte ganz konventionell über eine Anzeige. Und da Aleksandra und ihr damaliger Partner sich gerade getrennt hatten, meldete sie sich. Vereinbart war ein Probetraining von 45 Minuten – doch dann wurde ein ganzer Tag daraus, nur unterbrochen von einer schnellen Mahlzeit. Und es klappte so gut, dass sie bereits an ihrem ersten Tag zu jedem Tanz eine kleine Choreographie erarbeiten und sogar ein Trainings-Finale bestreiten konnten.

Souveräner Überblick: Madis Abel und Partnerin Aleksandra Galkina
Foto: Thomas Kirchgraber

Dazu kam, dass die beiden – eine glückliche Koinzidenz – ohnehin den gleichen Trainer hatten: Aleksander Makarov – und damit die gleiche tänzerische Grundeinstellung, was den fulminanten Einstieg der beiden ermöglichte. Als Junior tanzt man im Wettkampf erst einmal beide Sektionen. Wobei Aleksandra witzigerweise erst Latein bevorzugte und bei Turnieren immer froh war, wenn sie die Standard-Sektion hinter sich lassen konnte – und bei Madis war es genau umgekehrt: er liebte Standardtanzen von Anfang an und hielt Lateintänze für langweilig.

Madis Abel und Aleksandra Galkina sind unglaublich diszipliniert und organisiert, sie haben bereits ein Universitätsstudium absolviert. Er hat den Bachelor in Recht und sie in „International relations“. Das war die härteste Zeit ihres Lebens, da war jeder Tag vom Aufstehen bis spät in den Abend Minuten-genau getaktet. Wer das bewältigt hat, den kann so schnell nichts erschüttern. Nicht einmal die in jedem Paar unweigerlich auftretenden Differenzen. „Wir sind ein Team“, sagt sie und er lächelt dazu, während sie sich in tiefem Verständnis in die Augen blicken. Schließlich dürfte es kaum Menschen geben, die selbst nach 50 Jahren Ehe so viel voneinander wissen wie so ein überaus junges Weltklasse-Spitzen-Tanzpaar.

Natürlich diskutieren sie. Etwa, ob diese Drehung ausreichend war. „Ich sage was ich will“, sagt Aleksandra – aber jeder arbeitet erst einmal für sich an dem Problem. Dann wird sachlich darüber gesprochen. „Du musst Probleme erst einmal mit dir selbst ausmachen“, sagt ihr Trainer, der nicht daran denkt, dem einen oder dem anderen Recht zu geben: Das Paar muss das erst einmal unter sich klären. Abgesehen davon, dass sie auf ihrem Niveau alle Informationen haben, die sie brauchen. Und: ihr Trainer hat sie noch niemals im Stich gelassen. Daher bleiben sie ihm auch treu, was die Hauptlinie ihres Tanzens angeht. Für Einzelaspekte arbeiten sie auch gerne mit anderen Trainern.

Gibt es Bewegungen, die ihnen ganz besonders liegen? Madig Abel: „Wir mögen Rotationen und nichts Basic-Haftes, sondern eher etwas sehr Complexes. Das tanzen dann so nur wir.” Und fallen damit auf. Im großen Feld der sportlichen Amateure ist es schon notwendig, eher Extremes zu zeigen. Überhaupt ist Madis Abel dem Extremen im Sport nicht abhold: er liebt Snowboarden und Surfen, wobei er natürlich sehr vorsichtig sein muss, um sich nicht zu verletzen. Aleksandra liest gerne mal ein Buch oder schaut Filme in ihrer (spärlichen) Freizeit, und sie interessiert sich sehr für Mode, was man ihrem Trainings-Outfit ansieht. Dass sie gerade beruflich an einem Modeprojekt arbeitet, freut sie natürlich ganz besonders.

Raumgreifende Ausdehnung im Throwaway Oversway
Foto: Thomas Kirchgraber

Madis Abel und Aleksandra Galkina tanzen nun schon sieben Jahre zusammen, seit sie 13, 14 sind. Für sie ist so vieles selbstverständlich. Nun, da sie auch selbst unterrichten – weil Tanzen ja ein verdammt teurer Sport ist – merken sie, dass sie vieles für gegeben nehmen, was andere noch gar nicht kennen und mühselig lernen müssen. Haben sie Lieblingstänze? Madis Abel:  „Es kommt darauf an und wechselt auch immer mal wieder“. Sie sagt, und legt dabei ihre Hand vor den Mund: „Ich mag Tango nicht”. Was man ihrer Performance natürlich niemals ansieht. So etwas ist eine Herausforderung, die es souverän zu meistern gilt. Was es den beiden erleichtert, ist ihre große Musikalität – damit fallen sie mindestens so auf im großen Feld wie mit ihren Eigenkreationen.

Und wie ist das mit den Wertungsrichtern – tanzen die beiden für das Publikum oder für sie? „Wir mögen alle Wertungsrichter” sagt Madis Abel diplomatisch, und natürlich geht es darum, das Publikum zu erreichen. Selbstverständlich lassen wir bei unserem Gespräch die Politik außen vor – da könnte ihm jede Äußerung, die ein Paar tut, schaden. Dass es beim Tanzen um Gefühle geht, versteht sich. „Natürlich”,  sagt Madis Abel, „aber es geht nicht darum sie zu haben, sondern fürs Publikum zu vermitteln –  das Publikum soll es fühlen.”  Aber da sind wir schon an den „letzten” Dingen, den Geheimnissen des Tanzens, an denen so ein hochkarätiges Paar arbeitet.

Ute Fischbach-Kirchgraber