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Das kleine Ballett am Staatstheater Cottbus wird eigene Sparte

Ein Intendant setzt Zeichen für den Tanz

Hatten wir im Jahresheft 2018, unserer Special Edition, kurz über Turbulenzen in Cottbus berichtet und um die Existenz des kleinen Ballettensemble gebangt, so hat sich dessen Lage mittlerweile sogar zum Guten gewendet. Eine der ersten Amtshandlungen von René Serge Mund, dem maltesischen Interimsintendanten bis zur Neufindung eines Nachfolgers des zurückgetretenen Martin Schüler, war die Aufwertung des Balletts zu einer eigenen Sparte. Die hervorragenden Leistungen der letzten Jahre, so Mund, habe ihn und den Stiftungsrat geradezu gezwungen, diesen Schritt zu gehen. Bislang gehörten Dirk Neumann und seine vier Tänzerpaare formal zum Musiktheater. Ein Jahrzehnt lang hat Neumann, ehemals Tänzer bei Uwe Scholz in Leipzig, mit seinem Rumpfballett über die vertraglichen Verpflichtungen hinaus pro Saison in zähem Fleiß zwei eigenständige Produktionen einstudiert. Eigentlich wäre nur die Mitwirkung in Musical, Operette, Oper gefordert gewesen. Denn dazu war damals das einstige Cottbuser Ballett auf acht Stellen geschrumpft worden.

Neumann begann mit kleineren Stücken, erzielte Erfolge, und das steigerte die Ambitionen. Bald wagten sie die Tänzer, zunehmend ergänzt durch Gäste, auch an abendfüllende Werke, einstudiert von Neumann selbst und zahlreichen Gastchoreografenen. Mit ihnen bewies er eine ausgesprochen glückliche Hand, ob mit Adriana Mortelliti, Winfried Schneider, Torsten Händler, Ralf Rossa, Giorgio Madia, Lode Devos. Von der Tangorevue über Tanztheater bis Ballett reichte bald die Skala, und die Zuschauer kamen zuhauf. Zuletzt konnte Neumann mit einem Abend aus Meisterchoreografien des 20. Jahrhunderts sogar den Tanzfonds Erbe als Sponsor gewinnen. Wer hätte vor einem Jahrzehnt gedacht, dass Birgit Scherzer der Truppe ihren Renner „Keith“ überlassen und Nils Christe, gesuchter Tanzschöpfer aus den Niederlanden und sonst Gast in eher großen Kompanien, gleich zwei Choreografien nach Cottbus geben würde! Und dass das so vielseitige Tänzeroktett selbst Werke des filigranen Neoklassikers Uwe Scholz bewältigen würde! Ende September hat Torsten Händler mit „Alice im Wunderland“ Premiere, im April lässt Mauro de Candia, Kompanieleiter in Osnabrück, Casanova über die Cottbuser Bretter flirten. Daneben stehen Stücke der letzten Saisons weiter im Spielplan.

Tanzen wird das alles die nunmehr eigene Sparte Ballett am Staatstheater Cottbus, mit derselben Begeisterung wie stets, doch wohl auch mit neuem Selbstbewusstsein. Und Dirk Neumann darf sich nun vom Ballettmeister zum Ballettdirektor erhoben sehen. Kostenneutral, dämpft Intendant Mund, sei die Ernennung, mehr Gehalt bekommt zunächst niemand. Die Zahl der Tänzer von acht auf mindestens zehn, möglichst aber zwölf zu erhöhen, müsste der nächste Schritt sein – wenn man vom einzigen verbliebenen Ballett im weiten Land Brandenburg auch eine weitere Leistungssteigerung erwarten und der Selbstausbeutung des Mini-Ensembles ein Ende bereiten möchte. Aber man will nicht gleich alles auf einmal fordern …

Volkmar Draeger