Fotos © Stuttgarter Ballett
Nach 24 Jahren beim Stuttgarter Ballett hat sich die Erste Solistin Alicia Amatriain von der Bühne verabschiedet – sie widmet sich seit zwei Jahre ganz ihrer Rolle als Mutter.
Da sie selbst wegen einer Verletzung bzw. einer neuen Hüfte nicht mehr tanzen kann, gab es einen ganz speziellen „Onegin“ mit fünf verschiedenen Tatjanas, drei Onegins und mehrfach besetzten anderen Rollen. Im ersten Akt tanzten Agnes Su und Anna Osadcenko mit Jason Reilly, im zweiten waren Rocio Aleman und Martí Fernández Paixà in den Hauptrollen besetzt, im dritten tanzte Miriam Kacerova mit Roman Novitzky den Gremin-Pas-de-deux und Elisa Badenes mit Friedemann Vogel den letzten Pas de deux, beide noch einmal intensiver als sonst. Marcia Haydée, die einst die Rolle der Tatjana kreiert hatte, gab sich als Amme die Ehre. Wie bei allen großen Abschieden in Stuttgart gab einen projizierten Rückblick auf die zahlreichen Rollen der Geehrten, reichlich Blumen, ein großes „Danke!“-Plakat und buntes Konfetti von oben, alle Tänzer und Mitarbeiter überreichten Amatriain zur Musik der „Onegin“-Polonaise nacheinander eine Rose. Die Spanierin hatte ihre zweijährige Tochter Haizea die ganze Zeit bei sich auf der Bühne, die nahm den Lärm der tosenden Bravo-Rufen erstaunlich ruhig auf. Gatte Alexander McGowan, der ebenfalls die Kompanie verlässt, filmte alles mit dem Handy und hatte für den feierlichen Anlass nur eine kurze Safari-Hose im Schrank gefunden.
Amatriain hat, wie Intendant Tamas Detrich vor der Aufführung kurz aufzählte, so ziemlich alles an Auszeichnungen abgeräumt, was es für Tänzer gibt, vom Prix Benois über den Faust bis zum Deutschen Tanzpreis Zukunft. An diesem Abend nun erhielt sie den neuen Birgit-Keil-Preis, der von der ehemaligen Ersten Solistin John Crankos, der vorigen Karlsruher Ballettdirektorin und Leiterin der Mannheimer Akademie des Tanzes neu ins Leben gerufen wurde. Er ist mit 10.000 Euro dotiert und wird im zweijährigen Turnus an eine Tänzerpersönlichkeit verliehen, die sich große Verdienste um den Tanz erworben hat, oder aber an vielversprechende junge Talente, die noch am Beginn ihrer Laufbahn stehen.
Birgit Keil erzählte in ihrer kurzen Würdigung, dass Amatriain 1996 die erste Stipendiatin der damals neu gegründeten Tanzstiftung Birgit Keil war und lobte ihre „herausragende internationale Karriere“. Eine kleine Statuette gab es zur Urkunde und zum Geld noch dazu. „Du wirst immer ein Teil unserer Familie bleiben“, sagte Tamas Detrich, der gemeinsam mit seinem Vorgänger Reid Anderson noch mehr Blumen brachte; wieder waren die letzten drei Ballettdirektoren des Stuttgarter Balletts auf einer Bühne versammelt. Ob Amatriain in Stuttgart bleiben wird und was sie für ihre Zukunft plant, darüber gibt es noch keine offizielle Verlautbarung.
Angela Reinhardt