Nach acht Jahren verabschiedet sich Jacopo Godani von der Dresden Frankfurt Dance Company
Ein leichter Start war es nicht für den Tänzer und Choreografen Jacopo Godani, als er vor acht Jahren darum gebeten wurde die künstlerische Leitung der bisherigen Forsythe-Company zu übernehmen. Jetzt als Dresden Frankfurt Dance Company, auch mit der Verpflichtung, immer wieder Werke von Forsythe ins Programm zu nehmen. Und wie der Name es benennt, die Residenzen dieser Company sind Frankfurt, hier vor allem mit dem Theater am Bockenheimer Depot und Dresden, mit dem Festspielhaus des Europäischen Zentrums der Künste in Hellerau. Dem war aber ein eigentlich bis heute nicht nachvollziehbaren Vorgang vorausgegangen.
Spätestens, als nach John Neumeier oder Egon Madsen, William Forsythe 1984 die Leitung, später die Intendanz des Balletts der Städtischen Bühnen Frankfurt übernommen hatte, wurde es, insbesondere durch seine hier uraufgeführten Werke zu einem Ort des zeitgenössischen Balletts, dessen anerkennender Ruf bald die Welt des Tanzes umspannte. Unverständlich bis heute, dass mit dem Ende der Spielzeit 2003/2004 die Ballettsparte in Frankfurt geschlossen wurde.
Fotos: © Dominik Mentzos
Aber der Tanz war nicht zu Ende. Die Städte Dresden und Frankfurt, der Freistaat Sachsen und das Bundesland Hessen, mit jeweils 1,5 Millionen Euro, begründeten die Forsythe-Company. Somit war es gesichert, daß in beiden Städten Orte für hoch professionellen zeitgenössischen Tanz gesichert waren.
Als nach zehn Jahren William Forsythe seine Leitung aufgab – wohl nicht so ganz freiwillig – wollte man aber auf keinen Fall darauf verzichten diese Akzente für den modernen Tanz weiterhin, so intensiv als möglich, von diesen Orten ausgehen zu lassen.
Der Name wurde geändert, Jacopo Godani, der als Tänzer intensiv mit Forsythe zusammengearbeitet hatte, wurde beauftragt, diese Arbeit fortzuführen. Er führte eine neue Company zusammen, ließ sofort erkennen, dass diese unter seiner Leitung einen eigenen Weg gehen werde, der auch bei mannigfaltigen Aktionen und Projekten sowohl aus den Orten der Residenzen hinausführte als auch gerade durch Gastspiele und Kooperationen die Horizonte erweiterte.
Das gefiel nicht allen, vor allem nicht den unerbittlichen Forsythe-Fans, aber zu ändern war es nicht und Godanis Arbeit brachte Erfolge. Natürlich, wie einst bei Forsythe, auch sein Stil war so eigen wie unverkennbar, auch – und das ist ja eigentlich in der Kunst von höchst kreativer Bedeutung – widersprüchlich in der unterschiedlichen Wahrnehmung. Zudem konnte er so starke wie eigenwillige Persönlichkeiten junger Tänzerinnen und Tänzer zusammenführen. Für Dresden ja nicht uninteressant, immer auch Absolventinnen und Absolventen der Palucca Hochschule für Tanz.
Nun hat sich Jacopo Godani verabschiedet. In Frankfurt, nach einer euphorisch bejubelten Aufführung im total ausverkauften Saal des Bockenheimer Depots. Hier fanden die Kulturbürgermeisterinnen beider Städte, Ina Hartwig für Frankfurt und Annekathrin Klepsch für Dresden, so persönliche wie vor allem sachliche Worte des Dankes.
Godanis Dank war zuvor, in der eigens für diesen Anlass geschaffenen Kreation „Symptoms of Development” eine für ihn zwar recht typische, diesmal aber vor allem von Humor und Ironie geprägte Choreografie, im kreativen Zusammenspiel mit den Tänzerinnen und Tänzern, rasant über die Bühne gegangen. Er selbst spricht von einem „finalen Satirespiel“.
Gemäß dem Titel, prallen die Symptome der Entwicklung aufeinander, Godani ist bei seinen Themen, global und umweltmäßig, wie weit gehen die Entwicklungen noch. Jetzt geht es um die des Tanzes, gegenwärtige Diskussionen über Sinn und Bedeutung dieser Kunst – eigentlich ohne Worte – sind nicht zu übersehen. Das kann dann schon mal so weit gehen, dass sich der Tanz, bzw. dessen Lebewesen, klinischen Untersuchungen unterziehen müssen. Vor allen Dingen nicht zu überhören, es wird viel geredet, die Sprachen überschneiden sich, kommen alle der dreizehn Tänzerinnen und Tänzer wirklich zu Wort? In Bewegung kommen sie alle, mit Witz, mit leichter Melancholie, vor allem aber mit viel Ironie. Der Tanz blinzelt.
Die Tanzenden wackeln, jedenfalls auf den gefährlich wirkenden hohen Plateaustiefeln. Ja, der Sound donnert wieder, geht nicht zum Abschied, ohne 48Nord. Es wird gerapt, und wenn der wunderbare Akkordeonspieler Sergey Sadovoy ansetzt, dann zunächst mit russischem Pep, der sich dann wandelt in Klänge schönster Melancholie, zu der dann die Tänzerinnen und Tänzer aus ihrer verirrten Vereinzelung zueinander finden, nachdem sie zuvor auch mal einen Ausflug bis an den Broadway gewagt hatten.
Logik? Fehlanzeige! Ein finales Verwirrspiel? Vielleicht. Die Zeiten purzeln durcheinander, wer kommt da noch mit, die Projektionen der Jahreszahlen müsste man sich wohl merken, dann in die Geschichtsbücher schauen? Und spukt da was, in Frankfurt am Depot, in Dresden im Festspielhaus? Jeder Ort hat seine Geschichte.
Am Ende, apokalyptische Ironie. Wie weiter mit dem Tanz, welche Grenzen sind erreicht, welche neuen Horizonte gilt es zu öffnen. Vielleicht doch erst mal einen kräftigen Schluck, Pinot Grigio? Oder ab unter die Dusche und dann, mit voller Kraft und gnadenlos gesäubert, wieder auf zum Tanz!
Und klar, keine Frage, der Tanz geht weiter, in Dresden, in Hellerau, mit der Dresden Frankfurt Dance Company. Es wird ganz anders sein. Eine neu zusammengefügte Company, ein neuer künstlerischer Leiter, Ioannis Mandafounis, Tänzer und Choreograf, auch mit Forsythe-Erfahrungen wird ganz sicher auch alles daran setzten um die gerade – nicht ohne kräftiges Augenzwinkern – beschworene Apokalypse des Tanzes abzuwenden.
Dank an Jacopo Godani, herzlich willkommen für Ioannis Mandafounis.
Boris Gruhl