Der russische Balletttänzer Vladimir Shklyarov, Erster Solist des Mariinsky-Balletts und derzeit einer der berühmtesten Tänzer der Welt, ist in der Nacht auf Samstag gestorben. Das teilte das Mariinsky-Ballett auf seiner Webseite mit. Shklyarov war 39 Jahre alt, er hinterlässt zwei kleine Kinder.
Der charismatische Tänzer wurde im damaligen Leningrad geboren und schloss 2003 die Waganowa-Schule ab. 2011 wurde er zum Ersten Solisten ernannt, er tanzte mehr als 20 Jahre beim Mariinsky-Ballett, begleitete die Kompanie auf zahlreichen Tourneen und gastierte sehr oft bei den großen Kompanien wie beim Royal Ballet oder auf Galas. In der Spielzeit 2016/17 gehörten er und seine damalige Frau Maria Shirinkina auf Einladung von Igor Zelensky zum Bayerischen Staatsballett, wo Shklyarov zahlreiche neue Rollen einstudierte; nach Berichten befreundeter Tänzer war er immer auf der Suche, sein Repertoire zu erweitern und neue Rollen, neue Stile zu lernen. Er bekam zahlreiche Preise verliehen und wurde 2020 zum Verdienten Künstler Russlands ernannt.
Photos courtesy Mariinsky Theatre and Bayerisches Staatsballett München
Proben mit Maria Shirinkina, Bayerisches Staatsballett © Sasha Gouliaev
Shklyarov war der Alleskönner unter den Mariinsky-Solisten – nicht nur besaß er eine virtuose, makellose Technik mit hohen, spektakulären Sprüngen, er war ein perfekter Partner und vor allen ein dramatischer Tänzer von großer Intensität. Genau diese Seite an sich probierte u.a. in München aus, so zum Beispiel John Crankos Romeo und Onegin oder des Grieux in Kenneth MacMillans „Manon“. Er tanzte auch beim Mariinsky ein sehr breites Repertoire, angefangen bei den Petipa-Klassikern über Rekonstruktionen, George Balanchine, Jerome Robbins, William Forsythe, Hans van Manen, Wayne McGregor oder Uraufführungen russischer Choreografen, bis zur komischen Rolle des Ivan im „Buckligen Pferdchen“ von Alexei Ratmansky oder dem Künstler in „Le jeune homme et la mort“ von Roland Petit. Shklyarov war dem Wesen nach eher ein lyrischer, feiner Tänzer mit großer Ausdruckskraft, entwickelte aber im „Corsaire“, in „La Bayadère“ oder vor allem in der Titelrolle von Juri Grigorowitschs „Spartacus“ eine ungeheure Wucht.
Don Quixote by Natasha Razina (2022) © Mariinsky Theatre
Swan Lake by Natasha Razina (2012) © Mariinsky Theatre
Shklyarov stürzte nachts vom Balkon seiner Wohnung im fünften Stock. Von den russischen Behörden wird der Tod derzeit als Unfall eingestuft, meldet die staatliche Nachrichtenagentur RIA. Nach Angaben mehrerer russischer Zeitungen sollte Shklyarov in den nächsten Tagen am Rücken operiert werden und habe Schmerzmittel genommen. Er sei zum Rauchen auf dem „sehr engen“ Balkon im fünften Stock gewesen. Die russische Nachrichten-Onlineplattform 78-ru spekulierte über Alkohol- und Tablettenabhängigkeit, was von Familienmitgliedern dementiert, von anonym bleibenden Kollegen aber bestätigt wurde. Nach Auskunft aus dem Ensemble, so schreiben russische Zeitungen, soll Shklyarov psychische Probleme gehabt haben, er war vor zwei Jahren von seiner Frau geschieden worden und musste wohl wegen der Verletzung über sein Karriereende nachdenken. Der Tänzer, der im internationalen Kollegenkreis sehr beliebt war, ging in letzter Zeit nur noch selten auf Tournee mit der Kompanie, er war zuletzt im Oktober in St. Petersburg aufgetreten. In einer St. Petersburger Zeitung wurden auch Parallelen zum Nurejew-Zeitgenossen Yuri Soloviev gezogen, der sich 1977 wegen starker Schmerzen und politischen Drucks erschossen hatte. Shklyarov hatte zu Beginn des Ukraine-Kriegs auf Instagram die beiden Völker Russlands und der Ukraine als Freunde bezeichnet und sich gegen den Krieg gewendet, sein Post war alsbald gelöscht worden.
Giselle by Alexander Neff (2021) © Mariinsky Theatre
The Young Lady and the Hooligan by Natasha Razina (2022) © Mariinsky Theatre
Ballerinen wie Diana Vishneva, Evgenia Obraztsova oder Alina Somova beklagten auf den sozialen Medien mit sehr warmen Worten seinen Verlust, die gesamte Ballettwelt reagiert schockiert. Eine Trauerfeier findet am Donnerstag, den 21. November im Mariinsky-Theater und dann in der St.-Nikolaus-Kathedrale statt, Shklyarov wird auf dem Smolensker Friedhof in St. Petersburg beigesetzt.
Vladimir Shklyarov Has Passed Away
The Russian ballet dancer Vladimir Shklyarov, a Principal Dancer with the Mariinsky Ballet and one of the most renowned dancers in the world, has passed away on the night of Saturday. The Mariinsky Ballet announced his death on its website. Shklyarov was 39 years old and leaves behind two young children.
Born in the then Leningrad, the charismatic dancer graduated from the Vaganova Academy in 2003. He was promoted to Principal Dancer in 2011 and spent over 20 years with the Mariinsky Ballet, touring extensively and frequently guesting with major companies such as the Royal Ballet and performing at galas. During the 2016/17 season, he and his then-wife Maria Shirinkina joined the Bavarian State Ballet at the invitation of Igor Zelensky, where Shklyarov expanded his repertoire by learning numerous new roles. He received numerous awards and was named an Honoured Artist of Russia in 2020.
Shklyarov was known as a versatile performer among the Mariinsky soloists – not only did he possess virtuosic, flawless technique with high, spectacular jumps, but he was also a perfect partner and a dramatic dancer of great intensity. In Munich, he explored this dramatic side in roles such as John Cranko’s Romeo and Onegin, and as des Grieux in Kenneth MacMillan’s „Manon“. At the Mariinsky, he danced a wide repertoire ranging from Petipa classics and reconstructions, to works by George Balanchine, Jerome Robbins, William Forsythe, Hans van Manen, Wayne McGregor, and new creations by Russian choreographers. Notably, he took on comedic roles such as Ivan in Alexei Ratmansky’s „The Little Humpbacked Horse“ and the Artist in Roland Petit’s „Le Jeune Homme et la Mort“. Though naturally a lyrical, expressive dancer, Shklyarov demonstrated tremendous power in roles like the title character in Yuri Grigorovich’s „Spartacus“.
Shklyarov tragically fell from the balcony of his fifth-floor apartment. Russian authorities are currently classifying his death as an accident, according to the state news agency RIA. Reports indicate that Shklyarov was scheduled for back surgery and had taken pain medication. He was reportedly on the „very narrow“ balcony to smoke. The Russian news platform speculated about alcohol and tablet dependency, a claim denied by family members but confirmed by anonymous colleagues. According to sources within the ensemble, Shklyarov had been struggling with mental health issues, and since his divorce two years ago, he had been contemplating the end of his career due to his injury. Beloved by his peers, he had been touring less frequently with the company and last performed in October in St. Petersburg.
Ballerinas such as Diana Vishneva, Evgenia Obraztsova, and Alina Somova mourned his loss with heartfelt messages on social media, and the entire ballet world is in shock. A memorial service will be held on Thursday, November 21st at the Mariinsky Theatre, followed by a ceremony at St. Nicholas Cathedral. Shklyarov will be laid to rest at Smolensk Cemetery in St. Petersburg.