Alle Fotos © Stuttgarter Ballett
So sind nun aller guten Dinge drei. Nach John Crankos „Romeo und Julia“ und „Onegin“ als Mitschnitte von Aufführungen in Stuttgart von 1917 jetzt auch, ganz aktuell, „Die Zähmung der Widerspenstigen“, auf DVD, zudem ab heute auch für 30 Tage in der arte Mediathek. Da spricht doch nichts gegen bestes Vergnügen am Bildschirm.
Ballett und Humor? Gibt es das überhaupt? Ja, gibt es. Nicht so oft, aber wenn, dann geht die Post ab.
Im Mai dieses Jahres wurde beim Stuttgarter Ballett John Crankos „Die Zähmung der Widerspenstigen“ wieder aufgenommen. Crankos getanzter Spitzenspaß nach der gleichnamigen, vor über 400 Jahren uraufgeführten Komödie von William Shakespeare, wurde vor 50 Jahren hier uraufgeführt.
Und so wie es Shakespeare, diesem „begnadeten Landlümmel“, der den „Kneipen benachbart, vom Adel geschützt wurde“ – so der Theaterhistoriker Georg Hensel – genial gelang, „das Komische traurig und das Ernste zum Lachen“, auf die Bretter der Weltbedeutung zu bringen, so auch dem Choreografen John Cranko.
Und so wie in Shakespeares Komödie noch die herrlichen Typen des italienischen Volkstheaters zappeln, stolpern, springen, so hat Cranko in seinem Ballett die entsprechenden Spaßvögel auf Sprungfedern erschaffen: Freier, Sänger, Tänzer, Musiker, die mitunter schon mal sehr speziellen Tönen ihrer Flöten folgen: Martí Fernández Paixà als Lucentio, Alessandro Giaquinto als Gremio und Fabio Adorisio als Hortensio. Hier wird der Spaß auf die Spitze getrieben, vor allem, wenn dann die Damen von der Straße dazu kommen, Angelina Zuccarini und Daiana Ruiz, und natürlich, mit grandiosem Charme des Spitzentanzes, Veronika Verterich als Bianka, die ganz im Gegensatz zu ihrer Schwester Katharina ganz ungezähmt – oder besser unverstellt – mit Gefühlen und Emotionen umzugehen weiß.
Bei den sich am Ende „Zähmenden“ allerdings, Katharina und Petruccio ist der Weg dahin im Grunde eine Reise zu sich selbst. Es ist ein Erwachen wie bei Shakespeare auch bei Cranko, jetzt schon stark geprägt durch die so berührenden wie aber immer wieder auch verblüffenden und schon mal ganz grob komischen Charaktere der Komödie. Spaß, mitunter auf dünnem Eis, dann aber wieder, und wie ließe sich das besser als im Tanz, ganz ohne Worte, dennoch aber bei lachender Berührung ausdrücken, auf diesem sprichwörtlichen, doppelten Boden des Theaters.
Elisa Badenes und Jason Reilly sind als Katharina und Petruccio Idealbesetzungen. Ja, sie trumpfen auf um dann aber auch schon mal regelrecht zu blinzeln, um zu sehen, was sie bewirkt haben. Ja, sie bauen Mauern auf, ihr Tanz wird sie überwinden. Er wird sie in die Höhen der Freiheit führen. Am Ende werden ganz unverstellt aufeinander zu gehen – Pardon, tanzen – um dann den Tanz zusammen zu wagen. Und der führt, jedenfalls so wie John Cranko für sie die Techniken der Kunst des Pas de deux zu wandeln versteht, in die Höhen der Emotionen bislang ungeahnter Gefühle. Sie finden zu sich, somit auch zueinander.
Und dann, welch schmackhafte Szene, geht die Liebe doch durch den Magen.
Und es sind die Stuttgarter Tänzerinnen und Tänzer, die in den herrlichen Szenen auf Straßen und Plätzen eines phantastischen Paduas, von dem Shakespeare, der es ja ohnehin nicht immer so ganz genau nahm, und Böhmen schon mal ans Meer verlegte, wohl auch nur den klingenden Namen kannte, in den prächtigen Kostümen von Elisabeth Dalton den Geist der Commedia dell’arte nicht nur wehen, sondern auch schon mal kräftig stürmen lassen können.
Kurt-Heinz Stolze hatte für die Uraufführung vor 53 Jahren Werke und Motive von Domenico Scarlatti in gegenwartsbezogener Instrumentierung kreiert. Somit hatte er im klingenden Dialog mit Crankos Choreografie es vermocht einen Bogen zu spannen, der über mehr als 200 Jahre nun auch heute noch, nach weiteren 50 Jahren, diesen Tanz zu grundieren vermag und vielleicht doch auch schon mal klingende und tänzerische Momente aufleuchten lässt, die geradewegs an den Broadway führen könnten.
Nicht zu überhören beim engagierten Spiel des Stuttgarter Staatsorchesters unter der Leitung von Wolfgang Heinz.
Und wie das geschieht das lässt sich nun erfahren und genießen beim rundum gelungenen Mitschnittes der Wiederaufnahme dieser Stuttgarter Cranko-Kreation vom Mai dieses Jahres, als DVD des Labels Unitel Edition. Und damit sind dann auch – pünktlich zu Weihnachten – der guten Dinge drei, denn die ebenso zu empfehlenden Mitschnitte der Stuttgarter Choreografien von Crankos „Romeo und Julia“ mit Elisa Badenes und David Moore in den Titelrollen und „Onegin“ mit Friedemann Vogel als Onegin, Alicia Amatriain als Tatiana und David Moore als Lensky, von 2017, liegen bereits vor.
Boris Gruhl