Ballett und Stage-Dance erobern die Rumba
Gespräch mit Top-Trainer Christian Fahn über neueste Entwicklungen
Die Rumba hat schon eine bewegte Geschichte hinter sich und ist noch lange nicht an einem Endpunkt angekommen. Die Bestrebungen des Amateurverbandes, Tanzen mehr in die Sportecke zu rücken und noch dynamischer zu gestalten, hat den Tanz weiter verändert. Wir unterhielten uns mit dem internationalen Ex-Professional-Tänzer und derzeitigen Erfolgstrainer Christian Fahn über die Rumba von heute.
Christian Fahn, hat die derzeitig getanzte Rumba noch etwas mit ihren Ursprüngen zu tun?
Christian Fahn: Die Turnierrumba hat gar nichts mehr mit der kubanischen Rumba zu tun. Auch die Musik nicht, die ist genau genommen ein Bolero. Wie alle lateinamerikanischen Tänze ist auch die Rumba zum Salontanz umfunktioniert worden. Das sind alles stilisierte und erfundene Bewegungen. Alles was Rumba ist an der Rumba, ist der Rhythmus. Das gilt ebenso für die Samba. Ich habe mir das in den Sambaschulen in Rio de Janeiro angeschaut: das hat null Komma null mit unserem Tanzen zu tun.
Der unumschränkt anerkannte Figurenkatalog von Walther Laird ist also eine reine Erfindung?
Walther Laird hat sogar die Figurennamen erfunden! Die jedem Tanzschüler vertraute Bota Fogo zum Beispiel ist die Benennung eines an der Wasserseite gelegenes Stadtteils von Rio. Rumba oder Bolero werden original nur im Knie getanzt. Es gibt keine gestreckten Beine, wie wir sie heute im Turnier sehen. Kubanische Rumba ist ein sehr intimer Tanz, ohne offene Form. Allerdings sollte man bedenken, dass eine Turnier-Rumba eine Kunstform ist. Nur das kubanische Original zu tanzen, wäre sehr eintönig.
Was geblieben zu sein scheint, ist jedoch das Thema des Tanzes, das Werben von Mann und Frau.
In der derzeitigen Turnier-Rumba wird das Werben in einer komplexen Choreographie gezeigt mit vielen Spiraldrehungen, die aus dem Ballett übernommen worden sind. Andrea Beer (Zehn Tänze-Weltmeisterin) hat diese Rumba-Pirouette erfunden. Da gibt es keine Seiten- oder Hüftdrehungen, alles wird sehr hoch auf Ballen getanzt und auch auf Ballen beendet. In der Rumba geht es ähnlich zu wie bei Tango und Tango Argentino. Der sehr intime Tanz wurde auf Show getrimmt.
Bei der Entwicklung der Rumba kam es ja von 1956 bis 1963 zum sogenannten Rumba-Krieg, bei dem es darum ging, ob in der Rumba nun der Wiegeschritt oder das Karree vorherrschend sei. Wobei man sich dann darauf geeinigt hat, dass beides erlaubt ist. Wie geht es nun mit der Rumba weiter?
Früher gab es nur verschiedene Figuren und Rhythmen. Heute wird die Rumba als sehr komplexes Gebilde mit vielen Rhythmen getanzt. Gab es früher nur Geschwindigkeit und Pose, so sind das jetzt hintereinander abfolgend Rhythmen mit End-Pose.
Alle Posen kommen aus dem Ballett oder Stage-Dance. Spagat etwa. Jetzt, da das Tanzen ja nach dem Willen der World Dancesport Federation immer sportlicher werden soll, tanzen die Herren zehnfach Drehungen, stationäre Pirouetten. Die Damen bleiben da mehr im Hintergrund – sie werden auch nicht so sehr bewertet. Sie sind eher geführtes Beiwerk, leben von der Flexibilität ihrer Körper. Da die Herren weniger Schrittmaterial haben, gibt es dafür mehr Solos für sie. Da hat sich viel verändert. Das entwickelt sich wie eine rhythmische Sportgymnastik. Eine schlechte Rumba fällt von einem Spagat in den anderen. Vielleicht sollte man wieder etwas mehr back to the roots. Der Tanz lebt von der Emotion. Aber nur noch Leiden und Herzschmerz sind auch zu wenig. Dazwischen will man auch Tanzen sehen.
Gibt es auch andere Entwicklungs-Ansätze?
Joanna Leunis (amtierende Europameisterin) geht noch weiter weg vom Lateintanzen, hat aber sehr kreative Momente. Ruud Vermey war der erste, der mit Energiewechseln gearbeitet hat. Er hat Laban integriert und alternative Formen. Er hat auf Laut und Leise gesetzt und uns auch mal flüstern und schreien lassen. Eine super Sache, aber erst dann, wenn man seine Basic-Techniken beherrscht.
Autor: Ute Fischbach Kirchgraber
Fotos: Thomas Kirchgraber