Das US-amerikanische Complexions Contemporary Ballet gastiert mit seinem famosen Zweiteiler „Star Dust – From Bach to David Bowie“ in Frankfurt, Köln und Berlin.
Complexions bedeutet übersetzt Gesichtsfarben. Und die können bekanntlich in allen möglichen Farbschattierungen glänzen. Genau wie außergewöhnliche Tanztruppen. Dazu zählt zweifellos das 16-köpfige „Complexions Contemporary Ballet“. Im Sommer 2019 gastierte das Ensemble, dem das klassische Ballett als Basis dient, erstmals in Deutschland. Die Premiere „Star Dust – From Bach to David Bowie“ damals im Deutschen Theater in München hatte Wow-Effekt. Im Juli will die Truppe nun erneut mit diesem Programm in Frankfurt, Köln und Berlin für Furore sorgen.
Die Kompanie wurde vor nunmehr 28 Jahren in New York von zwei ehemaligen Solisten des Alvin Ailey American Dance Theater gegründet: Desmond Richardson –dem ersten afroamerikanischen Principal des American Ballet Theatre – und Dwight Rhoden, dessen mehr als 80 Choreografien Dreh- und Angelpunkt des Complexions-Repertoires sind.
In der zweiteiligen Show „Star Dust – From Bach to David Bowie“ wird ein Höchstmaß an technischem Können ins Extrem getrieben – quasi ohne ruhende Momente. Es sei denn, man rechnet gruppenfreie Pas de deux und Soli dazu. Eine überwältigende Darbietung – schlicht um körperliche Meisterschaft in schillernden sexy Kostümen zu genießen. Das sollte man nicht verpassen. Eröffnet wird der moderne Tanzabend hyperdynamisch mit „Bach 25“ – einer 2018 uraufgeführten Kreation in diffusen Lichtstimmungen von Dwight Rhoden zu Musik von Johann Sebastian (Vater) und Carl Philipp Emanuel Bach (Sohn). Auch bei schnellstem Tempo und den kompliziertesten Figuren funktioniert hier die Koordination aller Tänzer perfekt. Lediglich Soundanlage sollte nicht unnötig übersteuert werden. Der melodische Drive von Klavier- und Cembalokonzertsätzen oder der 2. Cello-Sonate des Barockkomponisten verliert nämlich eher durch akustisches Forcieren, und das A-Dur-Cellokonzert und „Magnificat“ des jüngeren Bach gewinnen dadurch keineswegs. Denn bereits die Interpreten überbieten sich feuerwerksartig an Virtuosität und explosiven Mustern im Raum.
Fotos: Sharen Bradford
Fast heroisch stürmen sie übers Bühnenparkett – vergleichbar konzentrierten Kriegern und Amazonen –, gruppieren und sortieren sich immerzu neu zu energiegeladenen Tableaus. Deren sinnlich-poetisches Element ist tänzerische Kraft. In der präzisen Ausführung exzellent trainierter Akteure liegt der wirkungsvolle Thrill von „Bach 25“. Um sie herum herrscht das schwarze Nichts. Erst als die Choreografie schon zur Hälfte vorbei ist, man paarweise nacheinander auftritt, huschen Regungen über die Tänzergesichter. So lange dauert es offenbar, bis die Musik auch deren Herzen erreicht.
Eigenwillig krawallig, sentimental, verführerisch und psychedelisch geht es nach der Pause mit „Star Dust“ weiter. Die 40-minütige Hommage an die Pop-Ikone David Bowie brachte Rhoden 2016, im Todesjahr des Glam-Rock-Stars heraus. Kernstück sind die 11 Welthits „Warszawa“, „Lazarus“, „Changes“, „Life On Mars“, „Space Oddity“, „1984“, „Heroes“, „Modern Love“, „Rock ‘n’ Roll Suicide“, „Young Americans“ und „Let’s Dance“. Allesamt bestens zum Abtanzen geeignet.
Darstellerisch spielen die Tänzer Song für Song mit der legendären Verwandlungskunst des unvergesslichen Musikers. Elektrifizierend bewegen hierzu einzelne ihre bunt geschminkten Lippen nicht minder ausdrucksstark textsynchron. Ob als Mann auf Spitze oder sonst wie extravagant – der jeweilige Nummern-Leader hat zu beweisen, welche Facette des Gestaltwandlers und Trendsetters Bowie in ihm steckt. Frech mischt sich aufreizende Coolness in die elaborierten Ballettmoves. Einer hängt kurz an der Rampe ab. Ein anderer hebt immer wieder in horizontaler Lage vom Boden ab. Selbst das hyperelastische Herumwerfen gestreckter Beine ordnet sich einem Leitmotiv unter: der Extrovertiertheit. Vereinnahmend. Und höchst vergnüglich, dieser rockige Sommerspaß.
Vesna Mlakar