Es ist so ausgegangen, wie es die kundigen Beobachter von „Let´s dance“ prognostiziert hatten: Nicht die von Anfang an exorbitant gut tanzende Ella Endlich hat den begehrten Preis mit nach Hause genommen, sondern der sich von Mal zu Mal steigernde Pascal Hens. Seine knallhart trainierende Partnerin Ekaterina Leonova ist damit der Hattrick gelungen, denn bereits im Vorjahr gewann sie mit Ingolf Lück und vor zwei Jahren mit Gil Ofarim. Damals war die Situation ähnlich wie heute: Da hatte die wunderbare Vanessa Mai das Nachsehen.
Nicht, dass man Ekaterina Leonova diesen Triumph nicht gönnen würde. Aber es zeigt sich immer mehr, dass das Publikumsvoting überhandnimmt und der Sachverstand der Jury immer weniger eine Rolle spielt. Die Idee, den Zuschauern im Laufe der Zeit ein Verständnis von Tanzen beizubringen, hat sich desavouiert. Wie die Darbietungen hat sich inzwischen auch die Jury mit ihren Äußerungen für die Show entschieden. Bombastische Emotionen sind angesagt: Motsi zeigt sich immer mal wieder in Tränen aufgelöst, wenn sie nicht einen Lachanfall bekommt. Jorge Gonzales stöckelt schon mal gerne selber aufs Parkett, wenn er nicht gerade (bei den Lateintänzen) einen „glücklichen Popo“ – was immer das sein mag – ausmacht. Bleibt Joachim Llambi, der gelegentlich Sachverstand raushaut, aber nicht wirklich durchdringt.
Wenn es der Jury also schon nicht gelungen ist, das Publikum tänzerisch zu erziehen, dann bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, wenn sie sich nicht selbst abschaffen will. Was also tun, wenn damit zu rechnen ist, dass das ausschlaggebende Publikumsvoting nicht mit den eigenen Wertungen übereinstimmt? Eine Zwickmühle, aus der eine sehr elegante Lösung führt: Die Jury entscheidet sich selbst gar nicht, sondern verteilt gleich viel Punkte an die beiden Hauptkandidaten. Möglichst immer die Hauptpunktzahl. So erzeugt man eine Atmosphäre von Top-Qualität, ist fein raus und immer auf der Gewinner-Seite. Das Publikum darf sich als Entscheidungsträger fühlen, und der Sender ist zufrieden. Wenn nun ein paar tanzkundige Zuschauer weniger gucken – was soll’s. Das wird schon wieder ausgeglichen von denen, die nur das Spektakel wollen.
Dass die Qualität von Tanzen nicht unbedingt die Hauptrolle spielt, konnte man in der an die Staffel anschließenden Profi-Challenge erleben. Sicher, wenn nur Top-Tänzer auf dem Parkett stehen, sieht die Geschichte schon ganz anders aus. Phänomenal eben. Aber dass sich das Saal-Publikum für die Tango-Darbietung von Ekaterina Leonova und Massimo Sinato als siegwürdig entschieden hat, beweist, dass Sexiness höher im Kurs steht als die tänzerischen Schwierigkeiten, mit denen Showdance-Weltmeisterin Kathrin Menzinger und ihr Partner Vadim Gorbazov in ihrer neuen, für die anstehende Weltmeisterschaft entwickelten Kür aufwarteten. Das lässt nicht Gutes für die Zukunft von „Let`s dance“ erwarten. Eine sich anbiedernde Jury und ein lüsternes Publikum werden niemals Liebe zum Tanz wecken, sondern bestenfalls Voyeurismus für sexy Outfits.
Ute Fischbach-Kirchgraber
Fotos TVNOW / Stefan Gregorowius