Er ist der letzte der Titanen, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Ballett in Europa groß machten: Roland Petit und Maurice Béjart gehörten dazu, John Cranko oder Birgit Cullberg. Hans van Manen choreografiert seit 67 Jahren, seine Werke sind so alterslos wie er, genauso stilvoll und doch fest in der Moderne verankert. Heute feiert der Meisterchoreograf seinen 90. Geburtstag, fit und elegant wie gewohnt, wahrscheinlich mit der Zigarette im Mundwinkel und einer ironischen Bemerkung auf den Lippen. Das Nederlands Dans Theater hat er in seiner Anfangszeit mitgeformt, dann wechselte er zu Het Nationale Ballett und wieder zurück.
In Deutschland war er seit den 1980er Jahren zunächst in Stuttgart am meisten vertreten, später beim Ballett am Rhein. Wir kennen ihn von seinen abstrakten Trikot-Balletten als modernen Klassizisten und Minimalisten, aber der Altmeister hat so viel Neues erfunden im Lauf seines langen Lebens, er hat bereits splitternackte Tänzer und gleichgeschlechtliche Duos auf der Bühne gezeigt, als andere noch nicht „Tanztheater“ sagen konnten. Van Manen setzte die Videokamera ein und stellte seine Ballerinen auf hohe Absätze, ließ als erster zu Tango-Musik tanzen und liebt bis heute die Kurzform – es gibt keine Abendfüller von ihm, er ist der Meister der Kurzgeschichte und blieb sich immer treu. „Ich mache keine Experimente. Ich mache Ballette“, heißt sein Credo und er hält uns bis heute, wo sämtliche Konventionen im Tanz mehrfach hinterfragt und gebrochen wurden, hartnäckig den Maßstab vor Augen: Klarheit, Strenge, Reduktion aufs Wesentliche. Dennoch sind seine Ballette nie abstrakt, immer glüht eine subtile, oft erotische Spannung zwischen den Tänzern. Van Manen hat die Geschlechter-Stereotypen des Balletts aufgemischt und die Grenzen aufgehoben. Ob Männer oder Frauen: Er zeigt moderne Menschen auf der Bühne, die einander bei allem Streit, bei allen Konflikten achten und respektieren.
Herzlichen Glückwunsch und auf viele weitere Jahre!