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Dance Business: „Was kostet eine Ballettstunde?“

Stefan Sixt Spezial: Rund um die Uhr

Tolle Stunden, gute Schüler, leuchtende Augen und viel Applaus bei der Vorstellung ist die eine Seite der Medaille einer vorbildlichen Schule. Die andere heißt wirtschaftlicher Erfolg! Denn nur wer seine Mitarbeiter anständig bezahlen kann, wer regelmäßig die Miete überweist, und wer selbst auch noch etwas dabei verdient, wird das 10., 20. oder gar 30-jährige Jubiläum seines Tanzstudios feiern.

Eine Modeboutique kauft einen Pulli für 20 Euro ein und verkauft ihn für 40 bis 50 Euro. Genauso rechnet das Restaurant. Die Flasche Prosecco wird für 6 – 7 Euro eingekauft und dem Gast für runde 15 Euro kredenzt. Wenn wir uns an diesem 100-Prozent-Aufschlag orientieren, stellt sich sofort die Frage: Was kostet eigentlich eine Ballettstunde „im Einkauf“ bzw. „in der Produktion“?  Kostenfaktor 1 ist die Miete, Kostenfaktor 2 ist der Lehrer. Den verhältnismäßig kleinen Kostenfaktor 3, Verwaltung und Nebenkosten, lassen wir für diese Bilanz zunächst außer Beachtung.

Beispiel: Der Lehrer kostet 40 Euro pro Stunde, die Miete beträgt 2000 Euro pro Monat. Beides ist nicht zu verhandeln. Wir übertreiben und konstruieren einen Extremfall. Das Studio bietet nur 1 Stunde pro Monat an, die Kosten dieser Stunde belaufen sich also auf 2.040 Euro. Selbst bei einer Gruppe von 20 Schülern müsste jeder einzelne 102 Euro für den Unterricht bezahlen.

Bei 4 Stunden pro Monat (1 Stunde pro Woche) steigen zwar die Kosten für den Lehrer auf 160 Euro, die Miete aber bleibt gleich. Ein Schüler müsste nur noch 27 Euro bezahlen. Das extreme Beispiel macht es deutlich: Für den wirtschaftlichen Erfolg der Schule spielt es keine so große Rolle, ob der Lehrer ein paar Euro mehr oder weniger bekommt, sondern wie viele Stunden pro Woche, pro Monat – und letzten Endes pro Jahr – in den Räumen stattfinden.

Ich habe unser Beispiel auf 5 Gruppen (à 20 Schüler) pro Tag und 5 Unterrichtstage pro Woche durchgerechnet. Der Aufwand für die Lehrer steigt bei 25 Wochenstunden auf 4.000 Euro pro Monat. Die Gesamtkosten inklusive Miete betragen dann 6.000 Euro bzw. 60 Euro pro Unterrichtsstunde. Diesen Aufwand verteilen wir auf 2.000 Schülerstunden (25 Schüler pro Gruppe, 5 Gruppen pro Tag, 20 Tage) und kommen auf erstaunliche 3 Euro anteilige Kosten pro Schüler und Stunde.

Wenn ein Schüler also 40 Euro pro Monat bezahlt und für die 4 Stunden im Monat nur 12 Euro (4 x 3) Kosten verursacht, bleibt eine erkleckliche Differenz von 28 Euro. Multipliziert mit den 500 Schülern macht das 14.000 Euro. Pro Monat.

Zugegeben, beide Beispiele sind extrem und ebenso unrealistisch wie ein monatlicher „Gewinn“ von 14.000 Euro. Aber die Beispiele machen deutlich, wo das wirtschaftliche Potential eines Tanzstudios liegt: In der maximalen Belegung der Räume.

Wenn also die Nachfrage nach klassischem Ballettunterricht für hochbegabte 8-12-Jährige nicht ausreicht um 25 Gruppen pro Woche zu bilden, muss das Studio sein Angebot diversifizieren.  Ich denke an Hip-Hop für Jugendliche, ich denke an eine tänzerische Spielstunde für die ganz Kleinen. In Schweden habe ich kürzlich sogar von Mutter-und-Baby-Tanz gelesen. Ob das nun Sinn macht, sei dahingestellt, auf jeden Fall kann man so ein „exotisches“ Thema auch am Vormittag anbieten, während die begabten jungen Mädchen in der Schule sind und Mathe lernen. Gleiches gilt für Tanz nahe Themen wie Yoga und Pilates. Insbesondere Yoga sollte ja bekanntermaßen vor dem Frühstück (!) belegt werden.

Selbst in dem oben genannten Extrembeispiel bin ich nur von 5 Wochentagen ausgegangen. Aber natürlich sollte das teure Studio weder am Wochenende noch in den Ferien leer stehen. Ob Sie diesem Leerstand mit einem Workshopangebot mit internationalen Gastdozenten begegnen oder ob Sie lieber Discotanz, Schuhplattlerkurse, Kontaktimprovisation und Personal Coaching für den Brautwalzer anbieten, ist Geschmacksache. Hauptsache ist, dass Sie die Räume optimal nutzen.

Stichwort Brautwalzer: Lohnen sich eigentlich auch Kurse für sehr kleine Gruppen? Antwort: JA, wenn die Kosten für das Lehrerhonorar (und Nebenkosten) niedriger sind als die Kursgebühr. Wenn Ihnen also zwei Brautpaare 80 Euro die Stunde bieten, der Lehrer 60 Euro bekommt und das Studio sonst leer stünde, ist das zwar kein Lottotreffer, aber es sind 20 Euro. In der Wirtschaft nennt man das „Kostendeckungsbeitrag“. Kein großes Geschäft, aber eben ein paar Euro, um die Gesamtkosten mitzutragen.

Zurück zur Anfangsfrage: „Was kostet eine Ballettstunde?“ Dazu gehen wir von durchschnittlich 25 Unterrichtsstunden pro Woche aus, also abzüglich der Ferien rund 1.000 Stunden per anno. Die Jahresmiete beträgt 12 mal 2.000 = 24.000 Euro. Demnach kostet jede Stunde 24 Euro Miete plus 40 Euro für den Lehrer, inklusive Nebenkosten also gut 65 Euro.

Wenn wir wie die Modeboutique oder das Restaurant zirka 100 % aufschlagen, sollten wir die Stunde für 130 – 150 Euro „verkaufen“ können. Bei 10 – 15 Schülern macht das gute 10 Euro pro Person bzw. 40 – 50 Euro pro Monat im traditionellen Tarifsystem*.

Man sieht: Die Rechnung geht auf – vorausgesetzt es wird getanzt. Am besten rund um die Uhr!
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Im traditionellen Tarifsystem bietet die Ballettschule „1 Stunde pro Woche“ zu einem fixem Monatsbeitrag, z.B. 40 Euro an. Aus Sicht der Kunden macht das im Jahr 480 Euro für 52 Stunden. In der Realität ist das Studio jedoch in den Ferien geschlossen, die Gebühr wird laut Teilnahmebedingungen „durchgezahlt“. Die einzelne Stunde kostet also nicht, wie der arme Papa denkt, 10 Euro, sondern über 12 Euro. Das ist ein „Windfall-Profit“ von knapp 80 Euro pro Schüler und Jahr. Wir kommen darauf zurück…