Battleground, Louise Lecavalier Foto Pumpenhaus Katja Illner
Kritiken

„Battleground“: Louise Lecavalier zeigt im Theater im Pumpenhaus (Münster) eine atemberaubende Performance

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„Battleground“: Die kanadischen Ausnahmetänzerin Louise Lecavalier zeigt im Theater im Pumpenhaus (Münster) eine atemberaubende Performance

Zerbrechlich und zart wirkt die schwarz gekleidete Tänzerin. Eine androgyn wirkende Figur mit weit aufgerissenen Augen und blassem, maskenhaftem Gesicht unter der dunklen Kapuze. Wie ein Boxer trippelt die Künstlerin auf der Stelle, jederzeit bereit für einen schnellen Überraschungsschlag. Dabei scheint sie sich selbst der größte Feind zu sein …

Battleground, Foto Pumpenhaus

„Battleground“ (Schlachtfeld) ist der Titel dieses Tanzstücks, das eine Energie vermittelt, die einzigartig scheint. Mit flirrenden Fingern, rasanten Trippelschritten und raumgreifenden Armen durchmisst Louise Lecavalier die Bühne des Theaters im Pumpenhaus (Münster/Westfalen). Der einstige Superstar aus Édouard Locks kanadischer Ausnahmekompanie “La la la Human Steps” hat mit 60 (!) Jahren zu seiner alten Form gefunden. Waren es in den 1980-er Jahren ihre großen, waagerecht in der Luft gedrehten Sprünge, so genannte „Barrel Jumps“, für die  sie weltberühmt wurde, so sind es jetzt die vielen kleinen, zuckenden, zitternden Bewegungen, die das Publikum im treibenden Rhythmus von Antoine Berthiaumes Techno-Musik in Bann zieht. Präzision bis ins Detail: Sähe man diese Choreografie im Film, so könnte man denken, hier sei eine Tänzerin durch Computertechnik und Zeitraffer schneller gedreht  worden.

Battleground, Foto Pumpenhaus

Der schwarze Körper vor der hellen Bühnenwand weckt Assoziationen an einen Nachtfalter, kurz vor dem Verglühen. Tatsächlich hat sich Louise Lecavalier, die auch als Choreografin verantwortlich zeichnet, von einem Roman inspirieren lassen: „Der Ritter, den es nicht gab“ von Italo Calvini thematisiert den Kampf eines Ritters in leerer Rüstung. An der Seite des Tänzers Robert Abubo, der, gleichfalls schwarz gekleidet, zunächst als Alter Ego der Tänzerin erscheint, wenn er ihre virtuosen Bewegungen in seinem eigenen Tempo aufnimmt, stellt sich ihr zunehmend entgegen, hat jedoch keine Chance dieses Energiebündel zu fassen, das sich mit jeder Faser ihrer Muskeln zu wehrt wie ein gefangenes Tier. Allein die Bühnenwand scheint sie aufzuhalten, wenn sie allmählich zu Boden geht, im Schulterstand über den Boden rollt, die Beine an die Wand geheftet, bis die Füße langsam heruntertropfen wie Tau.

Louise Lacavalier, Foto Pumpenhaus

Am Ende dieser 60- minütigen Ausnahmeperformance scheint Abubo die Tänzerin gebändigt zu haben. Ein letztes Zeichen ihrer schier unerschöpflicher Stärke und Energie bietet das letzte Bild, wenn die zarte Frau den kräftigen Mann auf dem Rücken trägt. „Ich habe gekämpft, als ich jung war. Und ich kämpfe immer noch“, sagt Louise Lecavalier über sich selbst. Bleibt zu hoffen, dass wir ihr noch lange dabei zusehen dürfen. Stehende Ovationen.

Isabell Steinböck