Der Fotograf Jürgen Gocke
Ein Fotoessay von Volkmar Draeger
Tänzerinnen und Tänzer, oft als Einzelakteure, umhüllt von nebelhaftem Gewölk, eine rote Fahne schwenkend, umspielt von Stoffbahnen, eingewickelt in Plastikfolie, flankiert von kahlem Geäst, erhellt von raffiniertem Licht. Nacktheit, virtuose Sprünge, scheinbar gravitationsfreies Verharren in der Luft, auch Komisches und Groteskes. Über 150 Fotos listet die Webseite. Zum Tanz sei er, erzählt Jürgen Gocke, eher durch Zufall gekommen. Vor gut einem Jahrzehnt, da war er schon 24 Jahre als Werbefotograf tätig, habe er eine junge Frau fotografiert, deren Freundin die Tänzerin Aischa Ibrahim war. Sie wurde eine gute Freundin, mit der er über Jahre immer wieder Fotosessions machte. Dann sei es, erinnert er sich, wie nach dem Schneeballeffekt immer so weitergegangen. Eine Flamenco-Tänzerin stellte sich ein, die Leute vom klassischen Ballett kannte, aus Freiburger Tanzschulen oder aus Theatern. Auch Praktizierende von Barocktanz aus der Zeit Ludwigs XIV. kamen hinzu.
So intensivierte sich, zunächst eher als begeisterndes Hobby, was Jürgen Gocke, Jahrgang 1956, neben seinem eigentlichen Broterwerb als Werbefotograf in seiner Freizeit ablichtete. Nach dem Studium der Soziologie und Pädagogik in Göttingen arbeitete er anschließend 15 Jahren als Krankenpfleger auf Dialyse- und Intensivstationen. 1989 wechselte er als freier Mitarbeiter in ein Werbefotografiestudio in Kassel. Im Jahr 2000 dann gründete er sein eigenes Studio nahe Freiburg.
Sene Modelle, ob ihn oder sie, verwickelt er unprätentiös in fotografische Inszenierungen, zeigt sie vor zumeist dunklem Studio-Hintergrund in bedrohlichen Verstrickungen und anonymen Verknotungen, kreiert Atmosphäre von und mit Bewegung, offeriert keine eigentlichen Porträts, sondern zeigt Menschen als bewegte Chiffren von hohem Ausdruckswert und in ihrer tänzerischen Konzentration, stets ganz bei sich.
Das Setting des Shootings stamme meist von ihm, die Aktion liefere das jeweilige Modell. Vertreter des Balletts, festgelegt auf ihr Schritt- und Formenrepertoire, fragten manchmal, was sie machen sollten, lautet seine Erfahrung, Moderne legten einfach los, boten an, improvisierten. In den vier bis fünf Stunden des Shootings entstehen so bis zu 3000 Aufnahmen. Bisweilen werden Motive strapaziöse 30-mal wiederholt, ehe der perfekte „Schuss“ im Kasten ist, oder es fließt, sagt er, einfach alles dahin und die Fotos dokumentieren dann eher den Prozess. An Ausstellungen hatte Jürgen Gocke bislang kein Interesse. Er hält die Ergebnisse seiner Sessions in privaten Fotobüchern fest, aus Spaß und immer kostenlos. Und natürlich können die Tänzerinnen und Tänzer seine Bilder uneingeschränkt nutzen. Vorbilder unter seinen namhaften Berufskollegen habe er nicht, äußert er bescheiden, die Freude am Tun sei sein Lohn. Ein veritabler Fotokünstler aber ist er allemal.
Es ist für mich immer eine große Ehre, wenn Tänzerinnen und Tänzer zu mir ins Studio kommen. Wenn dann aus diesen vier oder fünf, oft auch sehr vertrauten Stunden gemeinsamen Ausprobierens, Schwitzens und Fotografierens etwas wirklich Schönes herauskommt, ist das für mich Glück pur.
Jürgen Gocke
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