Cinderella Ballet Suite-Kinder Ballett Kompanie Berlin mit Josephina Mackensen als Cinderella © Ruthe Zuntz
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Almas Cinderella tanzt! 4. israelisch-deutsches Festival im Radialsystem

„Das hat sie alles selbst geschrieben“ ruft ein Mädchen vor mir in der Reihe voller Begeisterung, als die junge Komponistin Alma im hellen Kleid zum Schlussbeifall in die Reihe ihrer gleichaltrigen Protagonisten tritt.

Das 4. israelisch-deutsche ID-Festival widmete sich am vergangenen Wochenende dezidiert der Theater- Tanz- und Musikproduktion der „next generation“. Ein Höhepunkt war zweifellos die Berliner Uraufführung der „Cinderella-Ballettsuite“ der jungen britischen Komponistin Alma Deutscher interpretiert von der Kinder Ballett Kompanie Berlin in der Choreografie von David Simic.
Alma Deutscher ist ein Ausnahme-Talent, sie begann als Zweijährige mit dem Klavierspiel, gefolgt von Geige und Komposition. Als Solistin spielt sie ihr eigenes Violinkonzert und Klavierkonzert mit  renommierten Orchestern. Auch als Komponistin fühlt sich Alma Deutscher in ihrem Element. Mozart komponierte als Elfjähriger seine erste Oper „Apollo et Hyacinthus“; im selben Alter startete Erich Wolfgang Korngold mit der Ballett-Pantomime „Der Schneemann“ seine Komponistenlaufbahn und Sergej Prokofjew schrieb als Teenager neben ersten Opern die Ballette „Ala und Lolly“ und „Die Geschichte vom Narren“.

Alma Deutscher, Foto von Patrick Hürlimann

Die junge Britin Alma Deutscher, geboren 2005, komponierte zwischen 2013 und 2016 ihre erste abendfüllende Oper „Cinderella“, 2016 uraufgeführt im Opernstudio der Wiener Staatsoper (DVD bei Sony Classical)) und wagt einen innovativen dramaturgischen Kunstgriff. Sie wertet die Märchenfiguren kräftig auf. Hier muss nicht nur der Schuh zum Fuß passen: Almas Cinderella (Sopran)ist nicht nur schön, sondern auch klug, sie komponiert und der Prinz (Tenor) ist nicht nur schön, sondern klug, er ist ein Poet. In Alma Deutschers Version finden im dramatischen Geschehen letztlich Lyrik und Musik zueinander. Musik und  Text gehen im Opernerstling eine großartige mehrfache Symbiose ein. Alma Deutscher plädiert mit überzeugendem Selbstvertrauen für eine melodische Musiksprache, die zum Herzen spricht. Ihre poetische Märchenwelt assimiliert spielerisch Traditionslinien der musikalischen Romantik mit ihren eigenen Klangerfindungen. Alma fühlt sich Mozarts älterer Schwester ´Nannerl´ verbunden, die auch musizierte und komponierte, doch als Mädchen nicht gefördert wurde. Mit ihrem pinkfarbenen Springseil, einer Art Fetisch, so erfährt man aus der interessanten BBC-Dokumentation „Finding Cinderella“, fängt sie die Töne ein und lässt die Melodien singen und tanzen. Verblüffend, wie sie musikalische Charaktere entwickelt, Melodien, deren Motive ganz einem poetisch-dramatischen story-telling verpflichtet sind.

Genau das gelingt der „Cinderella-Ballettsuite“ nicht, denn die bloße Herauslösung von fünf musikalischen Teilen der Oper scheint Almas eigenen Bemühungen um Musikdramatik entgegen zu wirken. Der musikdramatische Faden geht verloren. Das elfköpfige Orchester unter der musikalischen Leitung von Omer Frenkel beginnt mit leiser Violine, blüht gleichsam auf, atmet melancholisch-schwermütig und schwelgt im Walzertakt. Die Figuren, reduziert auf Cinderella, Prinz, Stiefschwestern und junge Tänzerinnen auf dem Ball, haben wenig musikalischen wie tänzerischen Gestaltungsraum. Sie bleiben Schablonen. Der Choreograf bebildert unter Einbeziehung von Videofilmen nur schlaglichtartig. Von Alma Deutschers Philosophie der Cinderella-Oper ist in dieser altbacken platten Ballett-Variante im Zeitraffer bis zur gegenseitigen Krönung im Finale nichts übrig.

Die Liebe zwischen dem Prinzen (Dayo Kramer) und der leichtfüßig tanzenden Cinderella (Josephina Mackensen) bleibt Behauptung, da im tänzerischen Miteinander nicht entwickelt. Die jungen Damen des Ensembles verfügen erfreulicherweise über ein beachtliches Können, Ausstrahlung und Natürlichkeit. Sie interpretieren den klassischen Bewegungskanon auf Spitze mit weichen Armführungen und musikalischer Homogenität.

Kinder Ballett Kompanie Berlin mit Dayo Kramer als Prinz und Josephina Mackensen als Cinderella © Ruthe Zuntz

Die Kinder Ballett Kompanie Berlin wurde 2016 vom ehemaligen Staatsballett-Tänzer und Choreografen David Simic gegründet und bietet, unterstützt von Förderern und Partner wie dem Staatsballett Berlin, der Deutschen Oper und dem FEZ, seither Kindern zwischen sechs und 18 Jahren Ballett-Unterricht und zahlreiche Auftrittsmöglichkeiten. Jährlich erarbeiten die jungen Hobby-Tänzerinnen und Tänzer eine Neuproduktion für ein Kinder-Publikum. Ein fantasievolles Divertissement zu Tschaikowskis „ Nussknacker“ war hier im Radialsystem neu zu bestaunen.

Beflügelt von einem Musikarrangement und einer bezaubernden choreografischen und kostümlichen Formgebung feierte die Tanzkunst auf halber Spitze bis zum anspruchsvollen Rosenwalzer ein Fest. Im Dezember gastiert die Kinder Ballett Kompanie mit „Nussknacker“ traditionell  in der Deutschen Oper Berlin.

Eine Sternstunde jugendlicher Kreativität, gezündet von Alma Deutscher, von der wir vielleicht in Zukunft eine ganz neue Ballettkomposition geschenkt bekommen.

Karin Schmidt-Feister