
Wunderkammern der Renaissance sind scheingelehrte Sammlungen, die neben wertvollen Ausstellungsgegenständen vor Abnormitäten nicht zurückschreckten und pejorativ auch Kuriositätenkabinette genannt wurden. Was Marcus Morau als „Wunderkammer“ beim Staatsballett Berlin zeigt, ist freilich von Abstrusitäten weit entfernt, gibt sich allerdings als eine Art düstere Messe, und das nicht nur von der Lichtführung her. In seiner achtteiligen Szenenfolge zu geheimnisvoll umwitterter Musik stellt er eindrückliche Bilder aus den bewegten Körpern von rund 30 Tanzenden. Meist ballen sie sich zum Pulk, in dem sich Reihen gegeneinander verschieben, ausbeulen, duckend in gleiche Richtung streben, als gäbe es Außergewöhnliches zu sehen.

Dann platzieren sie sich auf einer Stufenpyramide oder rücken über den abgedeckten Orchestergaben fordernd und grimassierend den Zuschauern nahe. Melancholisch gesungen wird, ängstlich geschrien, bisweilen brechen Einzelne bewegungskonträr zur Gruppe aus. Immer wieder stellt sich beim Betrachter, auch durch Einsatz von fahrbar transparenten Gestellen, der Kontakt zu Bildender Kunst her. Am Schluss des 75-minütigen Bewegungszaubers, nach mehrmaligem Wechsel fantasiereich applizierter Kostüme, defilieren alle einer hoch hängenden Lichtquelle im Hintergrund zu – ob Ende der gleichnishaften Zurschaustellung skurriler, staccatoartig sich verändernder Körpergebilde oder einfach hoffender Marsch in eine ungewisse Zukunft mit nun gebundener Gangart. All dies erwartungsgemäß exzellent getanzt und entsprechend bejubelt.
Volkmar DRAEGER





