Deutschlands Ballettkompanien bemühen sich um Balance von Neuem und Bewährtem. Beim Staatsballett Berlin kündigt Neu-Intendant Johannes Öhman ein ausgewogenes Programm zwischen Klassikern wie Ratmanskys „Bayadère“ und Frank Andersens Doppel „La Sylphide“/„Napoli 3. Akt“ sowie Zeitgenössischem an. Zu seinem 80. Geburtstag choreografiert John Neumeier in Hamburg nach „Endstation Sehnsucht“ mit „Die Glasmenagerie“ zu Musik von Philip Glass und Charles Ives ein weiteres Bühnenstück von Tennessee Williams, präsentiert Brahms von Balanchine und ehrt Geburtstage: den 200. von Petipa mit „Don Quixote“, „Der Nussknacker“ und „Schwanensee“, den jeweils 100. von Bernstein mit „Bernstein Dances“ und von Jerome Robbins mit „Chopin Dances“. Das Repertoire reicht von der „Kameliendame“ bis zu „Anna Karenina“. Auch das Bayerische Staatsballett hebt mit „Jewels“ einen Balanchine ins Programm und fördert „Junge Choreografen“. Das Repertoire umfasst Werke von „Onegin“ bis „Spartacus“, vom McGregor-Porträt bis zu Wheeldons „Alice in Wonderland“, feiert Neumeier und Petipa. Spannend klingt, was Karl Alfred Schreiner am Gärtnerplatztheater ankündigt: „La Strada“ nach dem legendären Fellini-Film und, geheimnisvoll, das Expeditionsballett „Atlantis“.
In Dresden kombiniert Aaron Watkins Balanchines „Vier Temperamente“ und, selten gespielt, Grahams „Errand into the Maze“ mit Naharin und Joseph Hernandez. Johan Inger steuert seine „Carmen“ bei, im Repertoire bleiben „Bayadère“, „Schwanensee“, der „Sommernachtstraum“ und Ekmans „Cow“. Das Ballett der Landesbühnen Sachsen im Vorort Radebeul greift mit dem Tanztheater „Gräfin Cosel“ um eine verbannte Königsmätresse einen Dresdner Mythos auf und bereitet den Dreiteiler „Boléro“ vor. Das unweit amtierende Leipziger Ballett unter Mario Schröder verspricht einen Dreiteiler aus „7. Sinfonie“ von Uwe Scholz, „Tu Tu“ von Stanton Welch und einer Uraufführung vom Ensemblechef, der sich in dieser Saison auch an Bachs „Magnificat“ wagt. An den 60. Geburtstag von Uwe Scholz erinnert eine Gala.
In Karlsruhe hebt sich der Vorhang über Christopher Wheeldons „Schwanensee“ und einer noch unspezifizierten Kreation. Jiří Bubeníčeks „Rusalka“, „Sommernachtstraum“ und „Nussknacker“ von Youri Vámos, MacMillans „Romeo und Julia“ sowie „Carmina burana“ des langjährigen Ensembleleiters Germina Casado sind weiterhin zu sehen. Bridget Breiner in Gelsenkirchen lässt Richard Siegal mit „Mass“, einer Kooperation von Oper und Ballett, Bernstein bejubeln, Benvindo Fonseca einen „Nussknacker“ für Kinder entwerfen, wird einen „Sommernachtstraum“ choreografieren und bietet ausgangs der Spielzeit Goecke und O‘Day in „Signaturen“ ein Podium. In Mannheim enträtselt Stephan Thoss „Blaubarts Geheimnis“, vereint Johan Inger und Giuseppe Spota in einem Zweiteiler und offeriert unter „Sanssouci“ Oper und Tanz zu Bach und Händel. Mit dem Double Bill „Evolution“ klingt die Saison aus. Das geografisch entgegengesetzte Kiel lädt zu Yaroslav Ivanenkos „Cinderella“ und einer Neuschöpfung von Ivanenko und Georg Reischl; „Schwanensee“ und „Nussknacker“ von Kompaniechef Ivanenko bleiben.
Wenn in Bremerhaven auch Sergei Vanaev „Sommernachtstraum“ realisiert, dürfte diese Shakespeare-Komödie zum meistadaptierten Werk der Spielzeit werden. Ungewöhnliche Uraufführungen versprechen in Magdeburg Gonzalo Galguera mit „Diva“ und „Dracula“, in Schwerin Jutta Ebnother mit „Andy – Superstar“ um Andy Warhol, in Halle Nanine Linning als Gast mit „Hieronymus B.“, in Hannover Jörg Mannes und Mauro Bigonzetti mit einem Doppel um Edgar Allan Poe und in Wiesbaden Tim Plegge um den tragischen Karussellausrufer „Liliom“ nach Ferenc Molnár. Thüringens Staatsballett pendelt zwischen Birgit Scherzers „Nussknacker“ sowie „Giselle“ und „Forever Lennon“ von Kompanieleiterin Silvana Schröder. Und in Cottbus schickt Torsten Händler Alice ins Wunderland, Mauro di Candia Casanova auf die Kammerbühne – die Publikumsgunst dürfte ihm und den vielen anderen Premieren der Spielzeit sicher sein.
Volkmar Draeger