Sie gehört zu den erfolgreichsten Lateintänzerinnen der Welt und zu den hübschesten dazu: die kleine quirlige Oksana Nikiforova. Mit ihrem Partner Franco Formica errang sie dreimal den Weltmeistertitel bei den Amateuren, hat mehrfach Blackpool gewonnen. Was will man mehr erreichen? Den Weltmeister-Titel bei den Professionals natürlich. Doch Franco entschied sich kurzerhand für eine neue Partnerin, die inzwischen ebenso Ex ist, nachdem es in mehreren Anläufen “nur” für den dritten Platz gereicht hat. Einstige Konkurrenten, die hinter ihm lagen, sind nun an die Spitze vorbeigezogen. Viele Experten haben nicht verstehen können, warum er sich überhaupt von Oksana Nikiforova getrennt hat. Immerhin haben die beiden drei Jahre lang nur erste Plätze gemacht und alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Kein Wunder, dass Oksana Nikiforova nach einem kürzeren Intermezzo bei den Professionals mit Evgenij Voznyuk nun eine gefragte Tanztrainerin ist. Wir haben uns mit ihr bei einem Workshop unterhalten.
Oksana Nikiforova sind Sie nicht entsetzt, wenn Sie zu einem Tanzclub kommen und dann sehen, dass viele Basics nicht umgesetzt werden, weil die Tänzer sich mehr auf komplizierte Choreographien konzentrieren?
Das Wichtigste ist, dass die Leute ja wollen. Und es sind ja auch Anfänger dabei, denn ich unterrichte alle, die sich für die Lateinamerikanischen Tänze interessieren. Alle, die zu mir gekommen sind, wollen das lernen. Und das gibt mir Energie und Inspiration. Natürlich dauert es Wochen, bis man so was kann, und am Ende des Workshops kann man sehen, dass sie es wenigsten versuchen. Es ist ja auch mein erster Workshop hier.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Tanzsports?
Er ist dynamischer und sportlicher geworden, und das ist gut. Auch dass die Tänzer kräftiger sind. Aber es kann auch zu sportlich zugehen und da geht der Kunstaspekt, den Tanzen zweifelsohne hat, verloren. Dann sieht man aufgesetzte Effekte.
Wenn sich der Eindruck aufdrängt, dass die Tänzer zunehmend nur nach außen hin agieren und nur auf Effekte aus sind, hat das mit der von der World Dance Sport Federation verstärkt eingeforderten Sportlichkeit zu tun?
Das hängt sehr wohl mit dem Sportanteil zusammen. Ich habe mir beispielsweise die Amateure in Blackpool angesehen, da tanzen ja nur die im World Dance Council organisierten Verbände, und ich war angenehm überrascht, wie die Amateure da mehr mit der Musik arbeiten und miteinander statt nebeneinander tanzen. Wie die Basics schön kommen. Man muss nicht immer so schwierige Choreographien tanzen, beispielsweise im Chachacha kann man viel mit Basics arbeiten und mit verändertem Timing. Man muss merken, das es sich nicht um Free Style handelt. Blackpool hat mir in dieser Hinsicht persönlich besser gefallen als etwa die German Open in Stuttgart (die der World Dancesport Federation unterstellt ist.)
Sie selbst haben ja beide Seiten des Tanzens kennengelernt. Die Amateurseite – Sie waren dreimalige Weltmeisterin – und später die Professional-Seite. Was ist der Unterschied?
Das ist für mich schwer zu vergleichen, weil ich in den beiden Lager mit verschiedenen Partnern getanzt habe. Aber als Professional ist man reifer und versteht das Spiel zwischen Mann und Frau definitiv besser. Das wird auch sehr geschätzt beim Publikum und bei den Wertungsrichtern. Natürlich kann man den Mann-Frau-Dialog in jedem Lager zeigen, und ein fiter Körper schadet nicht. Aber die Trainer im Amateurlager sollten das Augenmerk auch auf diesen Aspekt richten. Es geht dabei um den Sinn des Tanzens. Dieses Gefühl für Mann und Frau herzustellen, das ist das Ziel.
Wie funktioniert die Partnerschaft beim Lateintanzen. Ist die Dame da, auch aufgrund der Haltung, freier als in den Standardtänzen?
Der Herr entscheidet Richtung oder Dauer, aber die Dame kann auch das Timing innerhalb ihrer Aktion für sich entscheiden. Das ist dann Tanzen auf einem anderen Niveau… Was nicht vergessen werden sollte: Wenn wir Tanzen, ist Genuss wichtig, wir wollen nicht kämpfen, wir genießen den Tanz!
Ballroom für alle – Oksanas großer Traum
Auch wenn es nicht umfassend genug erscheint: in der Ballett-Welt gibt es wesentlich mehr Möglichkeiten, bereits Kinder und Jugendliche an die Tanzwelt heranzuführen als im Ballroom-Sektor. Auch wenn in Deutschland keine Talent-Scouts die Schulen durchforsten und nach möglichen Talenten Ausschau halten, die dann auch wirklich eine Chance erhalten und gefördert werden, so existieren doch wenigstens ein paar Institutionen, die es Schülern ermöglichen, neben der Schule parallel eine Ausbildung als Balletttänzer/in zu absolvieren. Für Ballroom-Tänzer gibt es so etwas nicht. Und nun hat Oksana Nikiforova einen großen Traum: Sie möchte auch Ballroom-Tanzen von Anfang an gefördert wissen.
Ein Zentrum fürs Tanzen von Kind an ähnlich wie die bereits bestehenden Ballett-Gymnasien schwebt ihr vor. Und warum nicht in einem allgemeinem Tanz-Zentrum zusammen mit dem Ballett, wo sich die Wege erst später trennen. Denn Oksana selbst hat drei Jahre lang Ballett gemacht und dabei die Körper-Disziplin sehr zu schätzen gelernt, denn die Grundkenntnisse von Ballett sind auch für jeden Ballroom-Tänzer bedeutend. Sie hat auch schon erste Kontakte geknüpft und in der Gret Palucca-Schule in Dresden unterrichtet.
Oksana Nikiforova ist gerade dabei ein System zu entwickeln, das es jedem ermöglichen soll, Ballroom-Tanzen auf wirklich hohem Niveau zu erlernen. Am besten in Zusammenarbeit mit Ballett-Schulen und Akademien. Nur eben mit einem unterschiedlichen Schwerpunkt. Sie will da auch Psychologen und Physiotherapeuten einbinden. Ebenso Menschen, die mit den einfachsten Bewegungsübungen bei Kindern anfangen. Ein schöner Traum, antworten ihr da viele. Aber warum sollte man nicht träumen? Man muss nur Politiker überzeugen, Geldgeber und Sponsoren finden. Machbar wäre es…
Ute Fischbach-Kirchgraber
Oksana Nikiforova, Fotos © sports-picture.net
Dieser Artikel wurde in der Ausgabe 53/2013 von Dance for You Magazine veröffentlicht