Kommentar von Mihaela VIERU
Es ist selten, dass ein Festival verschwindet, ohne dass die Stadt, in der es gewachsen ist, den Verlust sofort begreift. TANZ Bremen war über Jahrzehnte kein bloßes Ereignis im Kalender, sondern eine Haltung: die Überzeugung, dass zeitgenössischer Tanz nicht Luxus, sondern Ausdruck einer offenen Gesellschaft ist. Nun endet dieses Kapitel – unspektakulär, fast geräuschlos. Und doch ist es ein Einschnitt, der weit über Bremen hinausreicht.
Man kann den Tanz nicht konservieren. Er existiert nur im Moment, im Dialog zwischen Körper und Blick. Genau darin lag die Kraft dieses Festivals: Es schuf Augenblicke, die blieben. Choreografien, die Grenzen überschritten; Künstlerinnen und Künstler, die Bremen auf die Landkarte des internationalen Tanzes setzten; Begegnungen, die sonst nie stattgefunden hätten. Es war eine Bühne, die nicht groß sein musste, um Bedeutung zu haben.
Dass sie nun verschwindet, ist kein Schicksal, sondern eine Entscheidung. Eine Entscheidung gegen Nachhaltigkeit, gegen Kontinuität, gegen das Vertrauen in kulturelle Prozesse, die Zeit brauchen, um zu wirken. Der Tanz ist flüchtig, doch die Strukturen, die ihn tragen, müssen stabil sein. Werden sie abgebaut, bleibt nichts als das Bedauern über eine Leerstelle, die so leicht nicht wieder gefüllt wird.
In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, wie fragil das kulturelle Gefüge einer Stadt sein kann, wenn Förderlogik kurzfristig wird. Wer Kunst auf ökonomische Effizienz reduziert, verkennt ihren Sinn. Festivals wie TANZ Bremen sind keine Prestigeprojekte, sondern Orte des Experiments, des Austauschs, der Selbstverständigung. Ihre Wirkung misst sich nicht in Klickzahlen oder Kassenbilanzen, sondern in geistiger Beweglichkeit.
Das Ende von TANZ Bremen steht exemplarisch für einen Wandel, der leise begonnen hat und tiefgreifende Folgen hat: Die öffentliche Kulturförderung zieht sich zurück, während die Rhetorik der kulturellen Vielfalt bestehen bleibt. Doch Vielfalt ohne Verlässlichkeit ist nur Fassade. Wenn Räume der Kunst geschlossen werden, verliert eine Stadt nicht bloß ein Festival, sondern ein Stück ihrer Imaginationskraft.
Vielleicht wird irgendwann jemand sagen, TANZ Bremen sei ein Kind seiner Zeit gewesen. Das mag stimmen. Aber es war eine Zeit, in der man an die Kraft des Körpers glaubte, an die Sprache jenseits der Worte, an den Mut, Neues zu wagen. Dass dieser Glaube heute keinen Etat mehr findet, ist ein stiller, aber gewichtiger Kommentar über den Zustand unserer Kulturpolitik.
Was bleibt, ist Erinnerung – und die Frage, ob man aus ihr Konsequenzen ziehen will.