Liebe Leserinnen und Leser,
wenn Sie die aktuelle Ausgabe unseres Magazins durchblättern, dann werden Sie bestimmt erneut eines merken: Neben den vielen informativen Texten lebt ein solches Heft von der Qualität der Fotografien. Sie illustrieren nicht nur den einzelnen Beitrag, sondern dokumentieren auch über den kurzlebigen Anlass hinaus, was die Ballettcompagnien in ihrer Zeit leisten. Späteren vermittelt das einen Eindruck von den Ambitionen und den Themenstellungen der Choreografen, von der Leistungsfähigkeit der Tänzer und, auch dies, von den ästhetischen Auffassungen der Fotokünstler. Denn Künstler sind auch sie, viele von ihnen nach einer aktiven Tänzerkarriere nun Fotografen im Folgeberuf. Genaue Kenntnis dessen, was auf der Bühne geschieht, ist Voraussetzung für ein aussagekräftiges Tanzfoto. Nicht allein der rechte Blickwinkel zählt; vielmehr noch muss der Fotograf wissen, wann er den Auslöser seiner Kamera betätigt. Das muss einen winzigen Bruchteil sein, ehe eine Endpose erreicht wird: das maximal erhobene Bein, der exakt zu Ende geführte Arm, die im höchsten Punkt der Hebung angekommene Partnerin. Das sind rein technische Aspekte. Sollen dramatische Situationen eingefangen werden, eine heftige Auseinandersetzung zwischen zwei Figuren bis hin zum Kampf, etwa in „Romeo und Julia“ oder in „Schwanensee“, dann muss auch die Atmosphäre stimmen – will der Fotograf dem Betrachter einen authentischen Eindruck des Abends vermitteln. Besonders heikel sind da Gruppenaufnahmen, wenn synchron getanzt wird, so in den „weißen“ Bildern der großen Klassiker, im Gleichsprung einer Gruppe oder bei der Girlreihe einer attraktiven Revue. Sobald ein Tänzer, eine Tänzerin „aus der Reihe tanzt“, stört das die Absicht des Choreografen, und, fatal genug, jeder Betrachter kann das sehen.
Was die Sache zusätzlich erschwert: Die Redaktion kann nur aus dem Angebot des jeweiligen Fotografen auswählen und meist bloß ein Foto veröffentlichen. Das steht dann als optischer Blickfang stellvertretend für die gesamte Inszenierung – zur Freude oder zum Ärger der Compagnie und des Lesers. Wie uns das diesmal gelungen ist, davon, bitte, überzeugen Sie sich selbst. Es erwarten Sie spannende Interviews, aufschlussreiche Porträts, kompakte Rezensionen, all dies reich bebildert zur plastischen Vertiefung der Textinhalte. Viel Freude bei der Lektüre!
Volkmar Draeger
Foto: Le Sacre du Printemps (Ch. Glen Tetley) Michal Štípa Nikola Márová (Prager Nationalballett) Foto Pavel Hejný
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