EDITORIAL NOVEMBER-DEZEMBER 2007
Armenien ist ein armes Land, und dennoch bringt es großartige Tänzer hervor. Mag dies nun an kulturellen Einflüssen liegen, der harten Ausbildung oder dem unbedingten Willen, sich mit eiserner Disziplin emporzuarbeiten und in Europa oder Übersee ein neues Leben aufzubauen. Fünf armenische Spitzentänzer haben dieses Ziel erreicht und dennoch nicht vergessen, woher sie stammen. Arsen Mehrabyan, Solist am Hamburg Ballett, Tigran Mikayelyan, erster Solist am Bayerischen Staatsballett, München, Arman Grigoryan und Vahe Martirosyan, erste Solisten am Zürcher Ballett sowie Davit Karapetyan, Principal Dancer beim San Francisco Ballet, gründeten vor zwei Jahren die einzige professionelle Ballettkompagnie Armeniens: „Forceful Feelings and Comrades“. Die Pionierarbeit, die sie damit in ihrem Land leisten, wenn sie neben fordernden Engagements in aller Welt Ballettgalas in Armeniens Hauptstadt Eriwan tanzen, sollen ihre Landsleute als Dank verstehen: für die Ausbildung, die sie dort genossen haben und die Lebenskraft, die ihnen in die Wiege gelegt wurde und die sie nicht ruhen ließ, bis sie ganz oben waren. Das wichtigste jedoch: Ihre Präsenz soll Mut machen und zeigen, dass Armenier im internationalen Wettkampf bestehen können, und zwar mit Bravour, wie der für den Deutschen Theaterpreis „Faust“ nominierte Tigran Mikayelyan, der sich selbst als Straßenkind bezeichnet, beweist. Dass die fünf Ballettstars auch an den talentierten armenischen Nachwuchs denken, der in der Company eine Chance bekommen soll, ist ihnen hoch anzurechnen. Und die Choreografien, die sowohl die Geschichte ihres Landes wie auch modernen zeitgenössischen Tanz auf die Bühne bringen, spiegeln Heimatgefühle, ohne altbacken zu wirken. Mehr über diese großartige Initiative lesen Sie in Thomas Kirchgrabers Reportage auf Seite 16 sowie im Interview mit Tigran Mikayelyan auf Seite 5. Ein weiteres, temperamentvolles Ausnahmetalent ist Ronald Savkovic, Erster Solist der Staatsoper Unter den Linden, dessen heimatliche Wurzeln in Serbien und Kroatien liegen. Extravaganz und Zügellosigkeit mischen sich bei diesem intelligenten, sensiblen Tänzer und Choreografen mit melancholischen, depressiven Zügen, was ihn auf der Bühne unwiderstehlich macht. Mihaela Vieru hat ihn in Berlin getroffen. Das Interview lesen Sie auf Seite 11. Doch das ist noch lange nicht alles: Lucia Lacarra, Erste Solistin beim Bayerischen Staatsballett, gibt Einblick in ganz persönliche Unzulänglichkeiten auf ihrem Weg zur Startänzerin und beschreibt, wie sie Probleme gemeistert hat. Eine Kolumne, die wieder einmal beweist, dass es nicht die Technik gibt, ebenso wenig wie Körper genormt sind. Stefan Sixt setzt sich – wie immer augenzwinkernd – mit der Frage nach dem Frauenanteil in Führungspositionen von Ballettcompagnien, –akademien und –festivals auseinander, und Prof. Ralf Stabel gibt Einblick in seine Pläne als neuer Direktor der Staatlichen Ballettschule Berlin und Schule für Artistik. Daneben lesen Sie Kritiken von Premieren und Galas aus aller Welt, darunter das 12. Internationale Ballett-Festival in Miami und das Debut von Christopher Wheeldons neuer Balletttruppe „Morphoses – The Wheeldon Company“ im Londoner Sadler´s Wells Theatre.
Viel Vergnügen wünscht Ihnen dance for you magazine