Erst vor wenigen Wochen verbannte der Dirigent Tiberiu Soare, damals noch Interims-Generaldirektor der National Oper in Bukarest, die beiden Startänzer Johan Kobborg – auch in der Position des Artistic Directors tätig – und Alina Cojocaru aus dem Theater, jetzt ekelt Igor Zelensky als Nachfolger des renommierten Ballettdirektors Ivan Liška das Tänzer-Paar Lucia Lacarra und Marlon Dino aus der Bayerischen Staatsoper. Und mit ihnen noch 29 andere Tänzer vom Bayerischen Staatsballett. Was ist nur los in der Ballettwelt?
Anstatt stolz darauf zu sein, Künstler von internationalem Ruhm im eigenen Haus zu haben, Tänzer, die sich nicht nur durch Technik, sondern vor allem auch durch künstlerischen Ausdruck auszeichnen, üben solche Chefs stumpf ihre Macht aus. Seien es persönliche, politische oder finanzielle Gründe, die oben genannten Direktoren zu solch wenig nachvollziehbarer Aktion verleiteten, im Sinne der Kunst ist das nicht. Schon ein Laie sieht, das eine ganze Company vom Ruf eines Stars profitiert, nicht nur in der Außen- sondern auch in der Innenwirkung. Schließlich können Nachwuchstänzer eine Menge von solch erfahrenen Tänzern lernen. Wer die Tipps von Lucia Lacarra’s Artikeln in unserem Magazin gelesen hat, weiß, um was es geht.
Dass Ehrgeiz und Motivation mit der Präsenz solcher Künstler steigen, versteht sich von selbst. Und was die Kulturpolitik angeht: Die Popularität und nicht zuletzt das Renommee eines Theaters steigt und fällt mit seinen Künstlern. Unsere Bühnen sind heute von Sparmaßnahmen bedroht und gebeutelt wie selten zuvor. Wie kann man nur so leichtfertig reagieren?
Mit der stolzen Summe von 1,3 Millionen Euro hat Unternehmerin Irène Lejeune das Bayerische Staatsballett seit 2009 unterstützt. Doch damit ist jetzt Schluss, denn auch mit der Großsponsorin hat es sich Zelensky jetzt verscherzt. Ein Jahr lang hielt er Lejeune hin, so lange musste sie auf einen Termin mit dem künftigen Ballettchef warten und als es endlich so weit war, habe er sich negativ über das Staatsballett geäußert. Das passt zu dem, was Tänzer über ihn sagen: Die Kommunikation – genauer: der persönliche, zwischenmenschliche Kontakt – scheint einfach nicht zu stimmen. Und was vielleicht noch schwerer wiegt: Die Tänzer werden kurz gehalten, haben kaum Planungssicherheit, dürfen aber auch nirgendwo anders gastieren. Ob er sich derartiges Verhalten auch weiterhin leisten kann, wird man sehen.
Dass einige Ensemblemitglieder die Kompanie in Bukarest verlassen haben, spricht dagegen für die Tänzer und ist ein rührendes Zeichen von Solidarität, die es braucht, um die Öffentlichkeit anzusprechen. Und nicht nur das: Beide Tänzer-Paare haben sich an die Medien gewandt, über Facebook ihre Position erklärt und Journalisten Interviews gegeben. Was vor Jahren wohl kaum jemand bemerkt hätte, wird nun transparent, da mögen sich Igor Zelensky & Co der Presse gegenüber noch so zugeknöpft verhalten. Man kann nur hoffen, dass der Ballettchef das Ruder noch herumreißt. Zelenskys Doppel-Engagement – neben der Münchner Kompanie behält er noch die Leitung des Moskauer Stanislawsky-Balletts – verheißt nichts Gutes…
Isabell Steinböck
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