Zwischen Wechsel und Kontinuität
Ballett in den neuen Bundesländern: die Saison 2013/2014
Eine Einschätzung von Volkmar Draeger
Für die Ensembles in den neuen Bundesländern war 2013/14 eine Spielzeit der Abschiede und Wechsel. Zehn Jahre hat Vladimir Malakhov das Staatsballett Berlin als Intendant geprägt, meist mit Werken des romantischen und postromantischen Erbes. Sein Abgang, nicht ohne Meriten, ist der spektakulärste der Saison. Im letzten Leitungsjahr zündete er drei Premieren: bezaubernd „Der Nussknacker“ des Duos Medvedev/Burlaka, umstritten „The Nights“ als Übernahme von Angelin Preljocaj, als sinnliches Barocktheater Giorgio Madias „Don Juan“. Ob es unter der Ägide von Malakhovs Nachfolger Nacho Duato, den die Berliner Presse wenig huldvoll empfangen hat, künstlerische und/oder personelle Verwerfungen gibt, bleibt abzuwarten.
Noch reich gesegnet mit Compagnien ist das Land Sachsen. Nach seinem düsteren „Nibelungenlied“ hat in Leipzig Mario Schröder mit „Mozart Requiem“ ein überragendes Gesamtkunstwerk im Geist seines Mentors Uwe Scholz vorgelegt, konnte für „Deca Dance“ als Choreografen Ohad Naharin gewinnen. Mit einem vielseitigen Spielplan punktet in Dresden Aaron Watkin: vom Dreiteiler „Nordic Lights“ mit unterschiedlich starken Arbeiten der skandinavischen Tanzschöpfer Lindberg, Inger und Ekman bis zu „Legenden – Eine Hommage an Richard Strauss“ mit Neukreationen von Alexej Ratmansky und Stijn Celis. Die Tschaikowski-Trias und Abende zu Kylián und Forsythe ergänzen das Repertoire und bieten der vorzüglichen Tänzermannschaft stilistisch fordernde Aufgaben. Seine erste Saison in Chemnitz krönte Reiner Feistel mit der Uraufführung „König Artus“; sein Nachfolger in Radebeul, Carlos Matos, ging nach rasanter Aufbauarbeit mit einer Verbeugung vor Jacques Brel in den Sommer. Im Theater Plauen-Zwickau zeigte Torsten Händler „Frühlings Erwachen“ nach Franz Wedekind sowie die Beatles-Reminiszenz „Yesterday“. Und dem Theater Görlitz bescherte das Leitungsduo Dan Pelleg und Marko gar eine Israel-Tournee.
Im Umbruch befindet sich Sachsen-Anhalts Ballettszene. Drohen den verdienten Ensembles in Halle und Dessau massive Einsparungen, mit entsprechend breiter Kampfesfront gegen eine ignorante Politik, bekennt sich das Land zum Magdeburger Ensemble, wiewohl Landeshauptstädte gemeinhin bessere Überlebenschancen bieten. Kann Gonzalo Galguera durchatmen, geht es bei Ralf Rossa in Halle, Tomasz Kajdanski in Dessau um welche Zukunft immer. Die kleine Truppe in Halberstadt beutelt der plötzliche Tod ihres langjährigen Leiters Jaroslaw Jurasz. Seine letzte Choreografie, „Die erste Schuld“ zum biblischen Schöpfungsmythos, ist gleichsam sein künstlerisches Testament.
Im Land Brandenburg, einst gut bestückt mit Ballettensembles, funktioniert in Cottbus mit nur acht Tänzern eine der kleinsten Compagnien, deren Elan respektable Erfolge zeitigt, so einen Doppelabend von Adriana Mortelliti und Nils Christe. Das Flaggschiff im Süden heißt Thüringer Staatsballett und hat in Silvana Schröder eine Choreografin mit Talent und Atem für ungewöhnliche Kreationen. „Waiting Room“ als Studie um menschliches Verhalten in Warteräumen beendete die Spielzeit. Auch in Eisenach unter Andris Plucis, Nordhausen unter Jutta Ebnother haben sich überregional beachtete Ballettzentren herausgebildet.
Bleibt der Sprung in den Norden, wo in seiner zweiten Saison Sergej Gordienko Schwerin zwei attraktive Premiere schenkte: als Übernahme Ralf Rossas „Schlafes Bruder“, in eigener Handschrift „HardBeat“ als fulminantes Rockballett. Zu den Leuchttürmen an kleineren Häusern rechnet Ralf Dörnen am Theater Vorpommern, der zuletzt im Greifswalder Dom durch seine tänzerische Paraphrase um Mutter Teresa und ihre inneren Gefährdungen auf sich aufmerksam gemacht hat. Gefährdet bleibt, trotz aller positiven Nachrichten, die Sparte Ballett auch 2014/15.
Vladimir Malakhov © dance for you magazine
dance for you magazine erscheint wieder ab 15. September 2014.
next dance for you magazine will be published middle of September 2014.