3/2016

Vor 10, 20 Jahren gab es fast nur abendfüllende Ballette. Seien es klassische Handlungsstücke oder zeitgenössische Werke, stets stieg man tief ein. Eine Herausforderung, nicht nur für Choreografen, auch für das Publikum, das mitunter einen langen Atem brauchte. Heute sind dreiteilige Tanzabende beinahe schon die Regel. Liegt es daran, dass im digitalen Zeitalter schnell wechselnder Kurznachrichten  „Häppchen“ auch auf der Bühne gefragt sind? Oder eifert man großen Namen nach? Ist es vielleicht der vielfach ausgezeichnete Martin Schläpfer, der mit seinen Mehrteilern an der Deutschen Oper am Rhein künstlerisch zum Trendsetter wurde? 

Was auffällt: Selbst kleinere Kompanien in Greifswald, Bremerhaven oder Osnabrück zeigen dreiteilige Abende. Indem sie Gäste einladen, bringen sie nicht nur eine, sondern diverse choreografische Handschriften auf die Bühne. Das beweist Vielfalt und ist aufregend – vorausgesetzt die Kompanien sind herausgefordert, Neues zu wagen und wachsen über sich hinaus.Vor allem im ländlichen Raum eröffnen dreiteilige Tanzabende neue Horizonte, wenn sie das altbewährte Spektrum eines Tanzchefs erweitern. Auf urbane „Vielseher“ wirkt diese „Mode“ jedoch auf Dauer ermüdend, vor allem dann, wenn die Stücke in keinem inhaltlichen oder künstlerischen Zusammenhang zueinander stehen. Oder wenn ein renommierter Gast engagiert wird und die anderen Produktionen wie ungeliebtes Beiwerk notdürftig über die Bühne gehen. Manch einer macht es sich da einfach, große Kunst sieht anders aus.  

Dem Essener Aalto Ballett kann man dergleichen nicht vorwerfen. Ballettchef Ben van Cauwenbergh lädt Gastchoreografen für abendfüllende Werke ein oder zeigt Mehrteiler von ein und demselben Künstler. Wie der klug arrangierte Kylian-Abend „Archipel“ beweist, fängt er damit zwei Fliegen mit einer Klappe: tief einzusteigen in die Tanzsprache eines Choreografen und dennoch diverse  künstlerische Ansätze oder Stimmungen ins Rampenlicht zu stellen. Damit begeistert er nicht nur Kenner, sondern unterhält auch weniger tanzaffines Publikum. In der kommenden Spielzeit steht der Schwede Alexander Ekman mit einem Dreiteiler auf dem Essener Spielplan. Vielleicht ein neuer Trend…

Isabell Steinböck