Ausgabe Mai-Juni 2006
Editorial
Selten lernt man Star-Tänzer kennen, bei denen sich Privates und Berufliches so optimal ergänzt wie bei Lucia Lacarra und Cyril Pierre. Die beiden Solisten des Bayerischen Staatsballetts sind nicht nur seit zwölf Jahren ein Paar, auch auf der Bühne zeigen sie eine Verbundenheit, die in der Form nur selten zu sehen ist. Das Geheimnis ihres Erfolges liegt vielleicht darin, dass sie Privates trotz künstlerischem, mitunter stressigem Engagement hoch halten und der Familie, wenn auch nur in bescheidenem Maße, Raum geben. Ein Bewusstsein, das sich lohnt, denn wie schnell kann die glanzvollste Karriere zu Ende sein, und wie schön ist es dann, zu sehen, dass es noch mehr gibt als Training, Proben und Auftritte. Dass großer Tanz kein tägliches Balletttraining braucht, beweist Ohad Naharin mit seiner Batsheva Dance Company. Seit vier Jahren arbeitet der Israeli mit einer eigens von ihm entwickelten Technik, die er selbstironisch „Gaga“ nennt und die ganz offensichtlich in Kontrast steht zur mathematischen Strenge des klassischen Tanzes. Dass es ihm dabei vor allem um Bühnenpräsenz und künstlerischen Ausdruck seiner Tänzerinnen und Tänzer geht, macht die Company geradezu unwiderstehlich, und zwar nicht nur für Kenner, sondern auch für Laien. dance for you hat die Batsheva Dance Company in Tel Aviv besucht und dabei Erfreuliches festgestellt: Im Gegensatz zu Europa sitzen erstaunlich viel Männer im Publikum, die weder beruflich im Theater arbeiten noch privat tanzen oder sonst etwas mit Kunst zu tun haben. Sie sind einfach offen für das, was auf der Bühne geschieht, lassen sich fallen und – genießen. Ein Publikum, das man sich auch in unseren Breitengeraden wünschen würde.
In diese Ausgabe lesen Sie Kritiken zu großartigen Produktionen, die international für Aufsehen sorgen. Unsere Kritiker sahen das Staatsballett Berlin mit „Triple Bill“, sind eingetaucht in die phantastische Tanzwelt New Yorks und haben den renommierten spanischen Ballettchef Nacho Duato bei seiner Arbeit mit der Compañía Nacional de Danza beobachtet. „Tanz ist wie Poesie“, sagt der Choreograf. Lassen auch wir uns weiterhin verzaubern von der lyrischen Schönheit des Tanzes.
Ihre dance for you – Redaktion
On the Cover: Lucia Lacarra und Cyrill Pierre Foto Cliff Serna