Taschenlampenkonzert "RUMPELSTIL" 2022, Waldbühne Berlin, 17. September 2022 ©Uwe Hauth
Spezial

PA CUBA ME VOY – AUF NACH KUBA!

Ein Jugendkulturaustausch zwischen Berlin und Havanna

von Ralf Stabel

Alexander von Humboldt träumte als Jugendlicher von einer Reise in die weite Welt. Sein Zuhause in Tegel – damals bei Berlin, heute in Berlin – nannte er „Schloss Langeweile“. 1799 ist es dann endlich soweit. Mit seinem Freund Aimé Bonpland startet er in die Neue Welt. Im Dezember 1800 kommt er nach seiner legendären Süd-Amerika-Tour in Havanna an. Da war er 31 Jahre alt. So lange mussten die Berliner Teilnehmenden am Jugendkulturaustausch „#HavannaundBerlintanzen“ nicht warten. Die Zwanzig, die mit ihren Begleiter*innen nach Havanna fuhren, waren im Alter zwischen 13 und 19 Jahren. Was sie mit dem jungen Alexander allerdings verbindet, ist, dass auch sie alle das erste Mal auf Kuba waren.

 Nach einer Woche Training und gemeinsamen Proben mit Schüler*innen von Lizt Alfonso Dance Cuba stehen dann am 4. Februar 2023 über 250 Kinder und Jugendliche in den Gassen des Amphitheaters in Alt-Havanna und warten auf ihren Auftritt für die Show „Berlin – Havanna, Sueño de Luz“.
Heidrun Tempel, Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland, begrüßt das Publikum und würdigt diesen Jugendkulturaustausch einleitend mit den Worten: „Ein Projekt der Deutschen Botschaft, das mit viel Liebe und Engagement seit über einem Jahr vorbereitet wurde. Der Weg dorthin und das Ergebnis sind in jeder Hinsicht einzigartig und brillant!“

Foto:
Das Opening von „Berlin – Havanna, Sueño de Luz“ im Amphitheater in Havanna, © Roberto D’Este 

Foto:  Im Garten steht ein hübscher Zwerg, im Herzen sitzt der Frust,  im Amphitheater in Havanna,
© Roberto D’Este

In der ausverkauften 1.500 Menschen fassenden Arena sitzen neben den vielen Tanz-Fans aus Havanna auch „alles, was Rang und Namen hat“ in einer solchen Stadt und bei einem so einmaligen Event nicht fehlen darf.  Das Programm ist eine rasante Show mit permanentem Wechsel zwischen Tänzen aus Berlin und Havanna und für diesen Abend gemeinsam erarbeiteten Choreografien. Zur Hymne wird dabei der Song „Mambo von Mambuso“. Mambuso ist eine überlebensgroße Fantasie-Figur, in der tanzend (Jörn) Brumme steckt, der Kopf der Gruppe „Rumpelstil“, der den Text geschrieben und dieses riesige sympathische Kuscheltier erfunden hat. Die fulminante Show endet mit einem großen Finale zum Song „Pa Cuba me voy“. Ich gehe nach Kuba. Alle Künstler*innen auf der Bühne und auch das inzwischen stehende Publikum singen euphorisiert mit.  Die Lieder der Gruppe „Rumpelstil“ wurden eigens für diese Vorstellung gemeinsam mit kubanischen Musikern und Sängerinnen „kubanisiert“ und neu interpretiert. Mit der Sängerin Blanche Elliz aus Berlin musizieren La Reyna y la Real, Geidy Chapman, Brumme und Emilio Martiní & Band.

 Ein Tanz und seine Geschichte

Mit dem Tanz „Pa Cuba me voy“ hat es eine besondere Bewandtnis. Lizt Alfonso, die Gründerin und Leiterin von Schule und Compagnie, hat sowohl den Text geschrieben als auch die Musik dazu komponiert. Die Idee des Tanzes ist eine aus der kubanischen Geschichte geborene Situation: Spanische Frauen mit schönen Kleidern und Schuhen stehen Sklavinnen in eben anderer Bekleidung und Holzpantinen in einem tänzerischen Wettbewerb gegenüber. Neudeutsch würde man heute von einem battle sprechen. Das Schöne und Versöhnliche an diesem Stück: keine Seite gewinnt; beide Seiten gehören zur kubanischen Geschichte und Tanzkultur gleichermaßen.

Amphitheater in Havanna, tanzen mit Blanche Elliz, © Roberto D’Este

You can‘t start a fire without a spark – der Initialfunke

Die Idee zu diesem besonderen Austausch hatte Vanessa Sánchez Fernández, die Kulturreferentin der Deutschen Botschaft in Havanna. Bei einem Stadtrundgang mit Gästen stieß sie im Frühjahr 2022 auf die imposante Tanzschule von Lizt Alfonso mit angeschlossener eigener Compagnie. Anschließend überlegt sie, ob es nicht irgendeine Chance geben könnte, diesen Schüler*innen aus Havanna die

Möglichkeit zu geben, in Berlin aufzutreten. Die Idee weitet sich umgehend zu einem Projekt aus: Gemeinsam mit der TanzZwiEt aus Berlin sollen die Kubaner*innen – sollten sie je nach Deutschland kommen – beim legendären Taschenlampenkonzert der Gruppe „Rumpeltstil“ tanzen. Wegen der internationalen Lage scheint die Aussicht auf Unterstützung anfangs unrealistisch. Mark Kuster von der schweizerischen Hilfsorganisation „Camaquito“, die in Kuba Projekt für Kinder unterstützt, sagt spontan zu, die Flüge vorzufinanzieren, ggf. auch zu finanzieren. Doch schließlich gelingt das Erwünschte: auch das Auswärtige Amt übernimmt Kosten für die Durchführung des Projektes; ebenso die Bundesstiftung für kulturelle Kinder- und Jugendbildung. Die erste Station des Austauschs wird Berlin.

Berlin, Berlin. Wir fahren nach Berlin!

Die Anreise für die kubanische Delegation beginnt mit einem Hindernislauf. Die Umsteigezeit in Frankfurt/Main reicht nicht aus. Der Flug nach Berlin ist weg. Eine 12-köpfige Gruppe kann erst auf einen Flug am Abend umgebucht werden. So ist der erste Tag in Deutschland ein Tag auf einem Flughafen. Aber dann läuft alles nach Plan. In der TanzZwiEt wird täglich trainiert und geprobt, aber es stehen auch die Besichtigung der Berliner Mauer und des Brandenburger Tors auf dem Programm. Und selbstverständlich gehören in Berlin eine Stadtrundfahrt im offenen Bus, aber auch ein Brunch mit Grill-Würstchen in der kubanischen Botschaft, die das Projekt nach Kräften unterstützt, und der Besuch des Berliner Humboldt-Forums zu den Stationen dieses Aufenthaltes. Zum Höhepunkt wird dann aber der alles überstrahlende Auftritt am 17. September 2022 in der Berliner Waldbühne. 17.000 Menschen sind gekommen. Vor allem Familien, deren Kinder alle Songs der Gruppe „Rumpelstil“ auswendig kennen und begeistert mitsingen: „Ich bin Kai und schon seit Mai bei der Polizei…“ Auch hier ist selbstverständlich der „Mambo von Mambuso“ der Höhepunkt! Und wenn Blanche Elliz dann das junge Publikum auffordert: „Ich möchte alle eure Taschenlampen sehen. Alle!“, dann blinkt es in der Waldbühne als wäre sie von ungezählten Glühwürmchen erleuchtet. Und wenn sie die Kinder auffordert: „Und jetzt möchte ich alle eure Stimmen hören. Alle!“, dann gibt es kein Halten mehr.

Die Leiterin Lizt Alfonso schätzt diesen künstlerisch-menschlichen Austausch sehr: „Der Austausch zwischen den Tanzschulen TanzZwiEt und Lizt Alfonso Dance Cuba entpuppte sich als Begegnung tanzender Körper und kreativer Seelen. Wie viele künstlerische Erfahrungen haben wir gemacht, die alle, die daran teilhatten, bereichert haben! Ich denke, dass diese Erfahrungen in jedem Leben, in jedem von uns eine Veränderung bewirkt haben, weil sie uns ermöglicht haben, schöpferisch zu sein und uns zu entwickeln. Und genau darum geht es. Wir freuen uns darüber und wollen, dass es weitergeht. Jede Generation junger Tanzliebhaber verdient eine solche Gelegenheit.“ (Original in Spanisch, siehe unten)

Havanna – mon amour

Die Auswahl der Schüler*innen für den Gegenbesuch ist dann alles andere als einfach. Zum einen sollen die Kinder und Jugendlichen bedacht sein, deren Familien die Kubaner*innen in Berlin so herzlich aufgenommen und umsorgt haben. Zum anderen hat die Leiterin der TanzZwiEt Berlin Susanne Rinnert aber auch ganz konkrete Vorstellungen, mit welchen Choreografien sie in Havanna die Arbeit ihrer Schule präsentieren möchte. So werden es schließlich die oben bezifferten zwanzig Schüler*innen, die Tänze zeigen können, die zum Beispiel im Bundeswettbewerb „Jugend tanzt“ erste Plätze errungen haben. Aber auch eigene Kreationen der Schüler*innen sind mit im Gepäck.

Neben dem oben beschriebenen Auftritt gehören zu einem solchen Austausch-Programm selbstverständlich der Besuch der Altstadt von Havanna, aber auch des Platzes der Revolution, des John-Lennon-Parks und das Kennenlernen der kubanischen Küche dazu. Auch hier wird eine Stadtrundfahrt im offenen Bus unternommen, um im Schnelldurchlauf die verschiedenen Stadtteile zu erkunden. Nach der gelungenen Vorstellung gibt es dann bei herrlichstem Karibik-Wetter noch einen Tag am Meer. Auch das gehört zum Leben Havanna, einer Stadt am Atlantik mit wunderschönen Stränden.

Susanne Rinnert sagte: „Der Austausch war eine überwältigend beeindruckende künstlerisch-menschliche Lebenserfahrung für alle Beteiligten. Wir danken allen, die dies ermöglicht haben. Wir würden sehr gern wiederkommen. Hoffentlich bald!”

Taschenlampenkonzert “RUMPELSTIL” 2022, Waldbühne Berlin, 17. September 2022 © Uwe Hauth

 

Berlin und Havanna – eigentlich längst Städte mit einer vielfältigen Partnerschaft

Die Beziehungen der beiden Städte zueinander sind lang und vielfältig. Dass Alexander von Humboldt auf der Karibik-Insel als der wahre und eigentliche Entdecker Kubas gilt, ist weltweit bekannt. In Anerkennung seiner Verdienste ist heute ein wunderbarer Nationalpark im Osten des Landes nach ihm benannt. Heute erinnert die Casa Humboldt an seine Aufenthalte in der Stadt. Die Einfahrt in den Hafen von Havanna erschien ihm als eine der freundlichsten und malerischsten des nördlichen äquatorialen Amerikas. Eine offizielle Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Havanna gibt es – trotz der langen und vielfältigen Bezüge – leider nicht. Noch nicht?!

Im Rahmen dieser Tanzwoche in Havanna gab die Sängerin Blanche Elliz einen Workshop mit dem Titel „Singing out loud“ für die beiden Tanzgruppen und Interessenten aus Havanna. Gemeinsam wurde „Bésame mucho“ ebenso gesungen wie „Für mich soll‘s rote Rosen regnen“ und natürlich „Pa Cuba me voy“. Welch tolle Idee, welch schöne Auswahl an Songs. Dass Musik Menschen verbindet, ist allgemein bekannt, doch welch enorm verbindende Kraft der Tanz besitzt, ist allen Beteiligten im Rahmen dieses Austauschs deutlich geworden. Der Musiker Brumme war überrascht von der starken Wirkung, die vom Zusammenbringen der beiden Tanzschulen und damit von der Begegnung deutscher und kubanischer Tanzkultur ausging und die sich auf Beteiligte wie Publikum gleichermaßen übertrug.

Fotos: 
Taschenlampenkonzert “RUMPELSTIL” 2022, Waldbühne Berlin, 17. September 2022 © Uwe Hauth

Verständlich, dass sich die Berliner Schüler*innen dankbar an diesen Austausch erinnern. Alyssia Sperber, 13, erinnert sich: „Ich hatte die Freude, im September eine ganze Woche lang Angélica bei mir aufzunehmen. Wir sind richtige Freunde geworden und schreiben uns regelmäßig Nachrichten. Als wir uns in Havanna wiedergesehen haben, war die Freude riesengroß.“ Dana Hartig,13, fand es schön, wie schnell sie alle auf Kuba durch das Tanzen neue Freunde gefunden haben und damit die Sprachbarriere gemeinsam überwinden konnten, und Mathilda Wegner, 19, meint: „Besonders in Erinnerung wird mir die Liebe und Freude bleiben, mit der wir in Havanna empfangen wurden und die den Abschied zu Menschen, denen ich vor weniger als zwei Wochen das erste Mal begegnet bin, so schwer gemacht haben.“ Paula Kutscher, 18, hebt die Herzlichkeit aller Mitwirkenden als das Schönste und Einprägsamste der Reise hervor und schreibt: „Es wurde uns ermöglicht, Freundschaften über einen Ozean hinaus zu knüpfen und ich habe in Havanna mein zweites zu Hause gefunden.“ Auch Sarah Jüngling, 18, sagt, durch die neuen Freundschaften in Kuba in zweites Zuhause gefunden zu haben, und stellt fest: „Trotz der Tatsache, dass wir aus unterschiedlichen Welten kamen, gab es etwas, was uns alle verbunden hat: TANZ!“ Nina John, 18, spricht sicher für alle, wenn sie zusammenfasst: „Es war eine Erfahrung und eine Zeit, die ich definitiv niemals vergessen werde. Ich kann kaum in Worte fassen, wie viel mir dieser Austausch bedeutet und die Gefühle und Erinnerungen sind unbeschreiblich. Jede einzelne Person auf dieser Reise habe ich tief in mein Herz geschlossen, ich habe Freunde auf der anderen Seite der Erde lieben gelernt und würde jederzeit in ein Flugzeug steigen, um wieder zurückzufliegen.“

Alexander von Humboldt kam 1804, nach vier Jahren also, zum zweiten Mal nach Kuba. So lange müssten die begeistern Jugendlichen aus Berlin heute eigentlich nicht mehr warten. Und selbstredend sind auch die kubanischen Tanztalente in Berlin jederzeit wieder herzlich willkommen – nicht nur bei ihren Gastfamilien.

Lizt Alfonso: El intercambio entre las escuelas de danza de Tanzzwiet y Lizt Alfonso Dance Cuba, resulto ser un encuentro de cuerpos danzantes y almas creativas. Cuantas experiencias vividas desde el arte para el enriquecimiento vivencial de todos los que participamos. Creo que, en la vida de cada uno esto marca una diferencia porque nos permitió crear y crecer. Y justamente de eso se trata. Estamos felices por ello y deseamos que continúe. Cada generación de jóvenes amantes de la danza merece una oportunidad así.