Alexander Neef, der Intendant der Opéra National de Paris, hat heute den Spanier José Martínez zum neuen Ballettdirektor ernannt.
Der 53-jährige ehemalige Étoile des Pariser Opernballetts und spätere Direktor der spanischen Compañía Nacional de Danza tritt sein Amt am 5. Dezember 2022 an, wenige Tage nach der Premiere seines Balletts „Le Corsaire“ im estnischen Tallinn. Martínez folgt auf Aurélie Dupont, die ihr Amt am 31. Juli 2022 niedergelegt hat.
Als Student des Rosella Hightower Centre in Cannes und der Tanzschule der Opéra kam José Carlos Martínez 1988 ins Pariser Opernballett, 1997 wurde er nach einer Aufführung von „La Sylphide“ zum Étoile ernannt. Nach seinem Bühnenabschied am 15. Juli 2011 übernahm er die Leitung der Compañía Nacional de Danza in Spanien und gab ihr während seiner Amtszeit von acht Jahren in einem angespannten wirtschaftlichen und sozialen Kontext eine neue Identität. Seit 2019 ist er freischaffender Ballettmeister, Pädagoge und Choreograf. Martínez wird sich ausschließlich seiner Tätigkeit als Ballettdirektor an der Opéra National widmen und damit auf seine Tätigkeit als Choreograf verzichten, mit Ausnahme von zwei Verpflichtungen im Juni 2023 in Bordeaux und im Oktober 2023 in Stockholm, wo er seine Inszenierungen zurück auf die Bühne bringt.
Alexander Neef: „José Martínez‘ brillante Karriere als Tänzer, seine Erfahrung als Direktor und Choreograf sowie seine Sensibilität für Vermittlung und Inklusion werden die Stabilität, das Ansehen und die ausgezeichnete Qualität des Balletts der Opéra National sicherstellen.“
José Martínez: „Ich danke Alexander Neef für sein Vertrauen und freue mich sehr, an die Pariser Oper zurückzukehen. Ich bin mir des enormen Potenzials der Kompanie und der Herausforderungen bewusst und möchte mich voll und ganz in ihren Dienst stellen. Ich werde daran arbeiten, den besten Zusammenhalt zwischen den Mitarbeitern des Hauses zu suchen und möchte die Unterstützung der Tänzer und Teams der Pariser Oper gewinnen, um gemeinsam ein Projekt daraus zu machen, das die Kompanie an der Spitze ihrer Kunst hält und sie zu einer beispielhaften Ballettkompanie in ihrem künstlerischen, menschlichen und gesellschaftlichen Engagement macht.“
Alexander Neef wurde bei seiner Wahl von einer Auswahlkommission unter dem Vorsitz von Bernard Stirn unterstützt, Ehrenvorsitzender des Verwaltungsrats der Opéra National de Paris. Weitere Mitglieder waren Carolyn Carlson, Charles Jude und Angelin Preljocaj. Es gingen insgesamt 23 Bewerbungen ein, darunter neun Frauen und 14 Männer. Unter den Kandidaten waren elf französischer und zwölf ausländischer Nationalität. Das Auswahlkomitee lud acht Kandidaten ein und gab seine Empfehlungen an den Generaldirektor der Pariser Oper, der wiederum entschied, vier von ihnen, zwei Frauen und zwei Männer, einzuladen. Die endgültige Wahl von Alexander Neef fiel auf José Martínez.
José Martínez
Er wurde 1969 in Cartagena, Spanien geboren und begann in seiner Heimatstadt zu tanzen, bevor er in die Klasse von José Ferran an Rosella Hightowers Schule in Cannes eintrat. 1987 gewann Martínez ein Stipendium beim Prix de Lausanne, das ihm die Türen zur Schule der Pariser Oper öffnete. Er wurde im folgenden Jahr ins Corps de Ballet engagiert und stieg 1990 zum Sujet auf. 1991 gewann er die Goldmedaille beim Internationalen Tanzwettbewerb in Varna, 1992 erhielt er den Prix du Cercle Carpeaux. Im selben Jahr wurde er zum Premier Danseur befördert. Mats Ek besetzte ihn als Hilarion in seiner „Giselle“. Am Ende der Aufführung von „La Sylphide“ am 31. Mai 1997 wurde Martínez zum Étoile ernannt.
Er war Interpret leuchtender Prinzen wie auch dunklerer Monarchen, so tanzte er den „Nosferatu“ von Jean-Claude Gallotta oder „Iwan den Schrecklichen“ von Yuri Grigorovich. Mit zeitgenössischen Choreografen kreierte er an der Pariser Opéra u.a. die Werke „Pas/parts by William Forsythe“ (1999) und „Appartement“ von Mats Ek (2000). Pina Bausch besetzte ihn in ihrer Tanzoper „Orpheus und Eurydike“ (2008) als Orpheus. Zum Repertoire des Tänzers gehörten Hauptrollen in alle großen Klassikern, vor allem in den Fassungen Rudolf Nurejews, außerdem „Till Eulenspiegel“ (nach Vaslav Nijinski), „La Symphonie Fantastique“, „Parade“ und „Le Tricorne“ (Léonide Massine), „Suite en blanc“ (Serge Lifar), „Etudes“ (Harald Lander), der „Grand Pas Classique“ (Victor Gsovsky), Werke von George Balanchine, Maurice Béjart, John Neumeier, Kenneth MacMillan, Roland Petit, Frederick Ashton, Martha Graham, Paul Taylor, William Forsythe, Jiří Kylián, Mats Ek, Jean-Claude Gallotta, Patrice Bart, Blanca Li und John Crankos „Onegin“. Für seine Karriere als Tänzer erhielt José Martínez zahlreiche Preise, er ist Commandeur des Arts et des Lettres.
José Martínez gastierte in den größten Kompanien und gründete „José Martínez en Compagnie“, mit diesem Ensemble trat er mehrere Jahre lang regelmäßig in Europa und in den Vereinigten Staaten auf. Als Choreograf schuf er 2002 seine erste Kreation „Mi Favorita“ zu Musik von Gaetano Donizetti. Danach schuf er klassische Pas de deux und kleinere Stücke u. a für die Studenten der Ballettschule der Opéra national de Paris. Im Oktober 2008 choreografierte er für das Pariser Opernballett „Les Enfants du paradis“ nach dem Film von Marcel Carné, wofür er den „Prix Benois de la Danse“ erhielt. Er schuf außerdem Werke für das Shanghai Ballet und das Boston Ballet.
Von 2011 bis 2019 war Martínez künstlerischer Leiter der Compañía Nacional de Danza in Spanien. Während seiner zwei Amtszeiten gab er der Kompanie eine neue Identität, indem er neben dem zeitgenössischen Ballett auch das klassische Repertoire integrierte. Er arbeitete mit Choreografen wie Mats Ek, Ohad Naharin, Angelin Preljocaj, Jiří Kylián, Johan Inger, William Forsythe, Itzik Galili, Sharon Fridman, Annabelle Lopez Ochoa, Andonis Foniadakis und dem Begründer der CND, Nacho Duato. Er zeigte außerdem zahlreiche neoklassische und klassische Werke und lud junge Choreografen aus der spanischen Szene ein, um eine nationale Identität für die CND zu schaffen. So förderte er Ivan Perez, Alejandro Cerrudo, Iraxte Ansa, Cayetano Soto, Marcos Morau & La Veronal, Mario Bermudez, Goyo Montero, Juanjo Arques, Altea Nuñez und Arantxa Sagardoy. Martínez unterstützte die kreativen Talente seiner Tänzer und förderte auch ihre choreografische Tätigkeit.
Seit 2019 ist er freischaffender Lehrer und Choreograf. Im März 2020 inszenierte er „Le Corsaire“ für das Ballett in Rom und später eine neue Version davon in Ljubljana. Auch seine beiden Choreografien für die Wiener Neujahrskonzerte 2020 und 2021 waren sehr erfolgreich. Am Kroatischen Nationaltheater in Zagreb wird er in diesem Jahr seine Version von Giselle präsentieren.