Elisa Carrillo Cabrera/Mexiko – Staatsballett Berlin
Warum sind Sie ins Ausland gegangen?
Europa war mein Traum. Sieben Jahre habe ich die Escuela Nacional de Danza Clásica in Mexiko-Stadt besucht, gewann mit 16 ein Stipendium für die English National Ballet School. Nach 2 Jahren London bekam ich einen Vertrag beim Stuttgarter Ballett, wurde dort Solistin. Seit 2007 bin ich in Berlin, seit 2011 als Erste Solotänzerin.
Wie sind die Bedingungen für Ballett/Tanz in Ihrer Heimat?
Wir haben seit 50 Jahren die größte Nationalcompany in Zentralamerika, staatliche Ballettschulen in Monterrey und Mexiko-Stadt sowie private Schulen. Die Mädchen lieben Ballett, unsere Regierung will etwas für die Jugend tun. Ich organisiere Galas, bin eine „Brücke“ zwischen Europa und Mexiko.
Weshalb haben Sie gerade diese Company gewählt?
Vladimir Malakhov lud Mikhail Kaniskin, meinen Mann, und mich ein. Willkommen zu sein: eine Superchance. Die Hauptstadt ist toll, das Repertoire gefällt mir, und ich habe Freunde in Deutschland – mein Zuhause.
Was haben Sie dadurch gewonnen, was verloren?
Was um mich herum ist, habe ich gewonnen, bin unabhängig geworden, konnte mich als Frau entwickeln, meinen Mann kennenlernen! Verloren ist die tägliche Erfahrung mit der Familie: Sie kommt zu Premieren.
Welche neuen Rollen/Stücke haben Sie hier getanzt?
Mit Mauro Bigonzetti, Marco Goecke, Itzik Galili zu kreieren, war wichtig für mich. Und Klassiker: „La Esmeralda“, „La Bayadère“. Auch mein Wunsch wurde wahr: Julia zu tanzen. „Romeo und Julia“ war das erste Ballett, das ich als Kind gesehen habe. So schloss sich ein Kreis.
Welcher Choreograf war seither wichtig für Ihre Entwicklung?
In „Schneewittchen“ habe ich erstmals barfuß getanzt. Auch Bigonzettis „Caravaggio“ war eine wertvolle Erfahrung.
Welches war Ihre größte, schönste Erfahrung mit der Company?
Die Premiere als Angelin Preljocajs „Schneewittchen“ in meiner zweiten Berliner Saison: ein Erlebnis! Das machte mich bekannt in Mexiko. Nächste Chance: „La Esmeralda“, mein erstes Drei-Akte-Handlungsballett. Die Ernennung zur Ersten Solistin: wie ein Traum!
Mit welchen Erwartungen sind Sie gekommen?
Ich wusste nichts, hatte keinerlei Sicherheit. Die Ballettmeister kannten mich nicht, die Zuschauer auch nicht. In Stuttgart war ich Solistin, nach Berlin kam ich als Halbsolistin, ein Schritt zurück.
Könnten Sie sich vorstellen, in Ihr Heimatland zurückzukehren und dort Ihre internationalen Erfahrungen weiterzugeben?
Oft habe ich in Mexiko getanzt. Die Regierung hat unter meinem Namen Jahresstipendien für 111 Kinder aus meiner Geburtsstadt eingerichtet: 110 kleine Stipendien, eines für ein Studium im Ausland. So kam ein Junge an die Staatliche Ballettschule Berlin. Gemeinsam mit einer Jury suche ich als Präsidentin nach Talenten.
Leonard Jakovina/Kroatien – Staatsballett Berlin
Warum sind Sie ins Ausland gegangen?
Unter Zwang, weil der Krieg in Ex-Jugoslawien begann, die Regierung Geld für Waffen brauchte, nicht für Kunst. Dinko Bogdanic holte mich nach München, in die Heinz-Bosl-Stiftung. Meine Eltern hatten einen Verkehrsunfall, das Geld der Versicherung ermöglichte die Fahrt. Kurios: Durch den Krieg habe ich meinen Weg gefunden.
Wie sind die Bedingungen für Ballett/Tanz in Ihrer Heimat?
Die Ausbildung in der Ballettschule Zagreb ist schlecht, sie besitzt kein eigenes Haus. Das Theater arbeitet top: Nacho Duato, William Forsythe, Roland Savkovic, Marco Goecke waren dort. Aber es gibt keine Vernetzung mit der Schule.
Weshalb haben Sie gerade diese Company gewählt?
Nach anderthalb Spielzeiten in München wollte ich die Stadt wechseln. In Berlin waren mit Bogdanic und Savkovic zwei Landsleute. Als Skorpion traf ich eine Bauch-Entscheidung – die beste meines Lebens!
Was haben Sie dadurch gewonnen, was verloren?
Meine Freunde habe ich verloren, die Heimat, meine Mutter, Zeit mit der Familie. Unsere letzte gemeinsame Weihnacht hatten wir 1997. Künstlerisch ist der Gewinn groß, und doch bin ich nicht im Reinen mit mir, der Tod meiner Mutter ist ein Schock bis heute: Sie starb zwei Wochen vor der Premiere von „Schneewittchen“. Eine Tür ging zu, damit sich eine andere öffnet.
Welche neuen Rollen/Stücke haben Sie hier getanzt?
Der Prinz in „Schneewittchen“ war meine schmerzhafteste Rolle, ich war innerlich zerrissen. Die kreativste Zeit war mit „Caravaggio“, wie überhaupt die Saison 2008/09 meine schönste und schwierigste Spielzeit war. Die Mutter starb, die Karriere ging bergauf. Rotbart, Drosselmeier, „Fancy Free“ und „The Concert“ von Robbins, Forsythes „The Second Detail“ – mein Tanz hatte viele Gesichter.
Welcher Choreograf war seither wichtig für Ihre Entwicklung?
Preljocaj und Bigonzetti – Chapeau vor beiden! In Taiwan gab es Ovationen, im Bolschoi, in Japan. Mit dem Hauptpart in Preljocajs „Le Parc“ fing es für mich an, die Partnerschaft mit Bettina Thiel war der Auslöser für das große Lernen.
Mit welchen Erwartungen sind Sie gekommen?
Ich war zu jung, um welche zu haben, hatte nur Hoffnungen. Hingabe, Arbeit, Disziplin kamen von mir, das Weitere habe ich von anderen erhalten. Nie im Leben hätte ich geglaubt, so weit zu kommen!
Könnten Sie sich vorstellen, in Ihr Heimatland zurückzukehren und dort Ihre internationalen Erfahrungen weiterzugeben?
Ich hoffe, diese Chance zu erhalten. München, Berlin lehrten mich alles, machten mich erwachsen. Gern würde auch ich meinem Land helfen: Ronald Savkovic hat in Rijeka eine kleine Company, Dinko Bogdanić ist Direktor in Split.
Shoko Nakamura/Japan – Staatsballett Berlin
Warum sind Sie ins Ausland gegangen?
Bis 16 lebte ich in Japan, hatte zehn Jahre Ballettschule. Beim Prix de Lausanne 1996 gewann ich ein Stipendium für die John-Cranko-Schule. Die ganze Familie begleitete mich nach Stuttgart. Ohne meine Lehrerin Ute Mitreuter wäre ich nicht hier, sie änderte meinen Körper, meine Meinung über Ballett. Gegen die Liebe zum Tanz stand das Heimweh. Im Stuttgarter Ballett begann als Elevin meine Laufbahn.
Wie sind die Bedingungen für Ballett/Tanz in Ihrer Heimat?
Unsere Ausbildung ist nicht gut genug, die Lehrer denken an Technik, kaum an Allure und Schönheit, sie wissen zu wenig. Außerdem sind unsere Körper total anders. Ich zeige jetzt Kindern, wie man tanzen muss, das Niveau ist noch immer niedrig.
Weshalb haben Sie gerade diese Company gewählt?
In Stuttgart hatte ich mich verletzt, bekam keinen neuen Vertrag. In Wien, wo ich vier Spielzeiten war, wurde ich mit dem Ballettdirektor nicht froh. Da gab mir Vladimir Malakhov einen Vertrag. Wegen des hohen Levels war der Anfang in Berlin schwer. Und nun bin ich Erste Solistin.
Was haben Sie dadurch gewonnen, was verloren?
Unsere Mädchen sind verschlossen, tragen eine „japanische Maske“. Ich habe gelernt, mein Herz zu öffnen, an Stärke und Charakter gewonnen. Man muss sagen, was man möchte, rät mir auch mein Mann, Wieslaw Dudek.
Welche neuen Rollen/Stücke haben Sie hier getanzt?
Als „Schneewittchen“ konnte ich mich selbst zeigen, musste nicht spielen, habe Neues für mich entdeckt. Die Julia war meine Wunschrolle, bis letzte Saison hatte ich nie Cranko getanzt. Erst Berlin hat diesen Traum erfüllt.
Welcher Choreograf war seither wichtig für Ihre Entwicklung?
William Forsythe – sein schockierender Stil gefällt mir. Ich mag Marathon-Ballette, wenn man in 15 Minuten alle Energie geben muss wie bei einer Explosion, liebe auch „La Sylphide“, bin dafür aber ziemlich groß.
Welches war Ihre größte, schönste Erfahrung mit der Company?
Hier ist es angenehm. Vladimir ist nicht wie ein Direktor, vor dem man Angst haben muss, sondern ein Kollege. Er gibt mir Ruhe.
Mit welchen Erwartungen sind Sie gekommen?
Ich wollte Ballerina werden, das habe ich geschafft. Viele Japanerinnen möchten nach Europa, die meisten sind sehr klein. Ich habe mein Leben dem Ballett gewidmet und der Familie. Vieles durfte ich bisher tanzen, so die Myrtha. Wunsch? Die Tatjana in Crankos „Onegin“.
Könnten Sie sich vorstellen, in Ihr Heimatland zurückzukehren und dort Ihre internationalen Erfahrungen weiterzugeben?
Eventuell möchten wir daheim eine Ballettschule eröffnen. Wir haben ein Kind, die ganze Familie müsste dann mit. Wegen der Tsunami-Gefahr und wegen Fukushima raten mir meine Eltern ab, auch weil ein großes Erdbeben erwartet wird.
Nikolay Golovanov/Russland – Friedrichstadt-Palast Berlin
Warum sind Sie ins Ausland gegangen, und wie sind die Bedingungen für Ballett/Tanz in Ihrer Heimat?
In meiner Heimat, dem sibirischen Omsk, spielen Kunst und Kultur keine große Rolle, außer Ballett und Folklore. Ich wollte mehr lernen, andere Stilen erobern: zeitgenössischen Tanz, HipHop, Jazz, Show, Akrobatik. Dazu muss man ins Ausland gehen.
Weshalb haben Sie gerade diese Company gewählt?
Über Verwandte habe ich erstmals vom Revue-Palast gehört, mit 60 Tänzern aus aller Welt und mehr als 100 Mitwirkenden pro Show. Ich wusste nur: Da will ich hin! Trotzdem habe ich mir beim Vortanzen kaum Chancen ausgerechnet, bin nun froh, hier zu sein. Das Konzept aus einer zwei Jahre laufenden Show plus einer separaten Wintershow gefällt mir.
Was haben Sie dadurch gewonnen, was verloren?
Ich erfahre von der Familie und Freunden viel Anerkennung für meinen Beruf. Und ich kann die Familie finanziell unterstützen. Natürlich vermisse ich sie, kann sie höchstens zwei Mal im Jahr besuchen. Deshalb lade ich sie oft hierher ein. Außerdem ist Berlin eine aufregende Stadt mit vielen Möglichkeiten und noch bezahlbaren Preisen.
Welche neuen Rollen/Stücke haben Sie hier getanzt?
Mein Lieblingsstück war ein Männer-Pas de deux in „Qi“, meiner ersten Show. Auch die Rolle des Königs in der Schachsuite aus unserem Weihnachtsprogramm „berlin ERLEUCHTET“ hat mir sehr gefallen. „Yma“ lief 450 Mal, auch im aktuellen „SHOW ME“ bin ich gut eingesetzt. Für jede Show arbeiten wir mit bis zu zehn verschiedenen Choreografen, unglaublich spannend.
Welches war Ihre größte, schönste Erfahrung mit der Company?
Neben den allabendlichen Vorstellungen Fernsehauftritte, wie „Willkommen bei Carmen Nebel“, „Verstehen Sie Spaß?“. Die Arbeit vor der Kamera ist anders als auf der Bühne. Auch um diese Erfahrung bin ich reicher geworden.
Mit welchen Erwartungen sind Sie gekommen?
Jeden Morgen erwartet mich ein anspruchsvolles Training als Voraussetzung für eine professionelle Leistung am Abend. Das hat mich ebenso entwickeln helfen wie Kurse, die ich in Tanzschulen belegt habe. Außerdem wollte ich neue Freunde finden. Dass ich für unsere nächste Kindershow choreografieren darf, ist eine große Chance.
Könnten Sie sich vorstellen, in Ihr Heimatland zurückzukehren und dort Ihre internationalen Erfahrungen weiterzugeben?
Momentan kann ich das noch nicht sagen. Vielleicht könnte ich Meisterklassen oder Kurse in Russland geben oder choreografieren. Auf jeden Fall möchte ich noch in der ganzen Welt arbeiten. Weil ich zu Hause bereits eine Pädagogikausbildung absolviert habe, muss ich mir über die Zukunft keine Sorgen machen.
Yolanda Correa/Kuba – Norske Opera & Ballett, Oslo
What are the reasons you went abroad?
I wanted to explore other horizons, to have new experiences with various choreographers and to find different ways of movement.
What are the special conditions for ballet in your home country?
To become a dancer in Cuba requires a lot of efforts and dedication. From the school they just pick the best with perfect body conditions for giving them the chance for a career. We don’t pay for this education, we have a legendary tradition of ballet by the achievement of Alicia Alonso, with a lot of history behind. You simply have to be the best!
Why you decided for this Company ?
I came to Oslo in 2010, I saw here a great opportunity to make some dreams come true, like working with Jiří Kylián. I could do that for his « Psalms Symphony ». And now I have experienced even more than what I thought. So many choreographers, ballet masters, dancers I have met, and so much I have learned.
What did you win by this step, and what did you possibly lose?
I have grown as a dancer, I’ve had amazing chances since I’m in this company, but of course, I miss the Cuban audience, my friends, my family. In Havana I was soloist with Ballet Nacional de Cuba.
Which are the most important roles you danced here and which is your favourite?
I’m so looking forward to dance the part of Tatiana in John Cranko’s « Onegin ». That is my goal for next season. Until now I danced here such classical roles like Kitri in « Don Quixote », Odile/Odette in « Swan Lake », Juliet.
Favourite Choreographers?
Paul Lightfoot and Sol León. But that’s hard to say … I think, to dance « Some Different » from Paul Lightfoot and Sol León was something I never expected to do in my career. It was extreme, scary a little, so emotional and such a hard work, I loved it and I wish I could do it again.
With which expectations did you come to Norwegian Ballet?
I heared they had very good conditions in their new opera house, but I was amazed when I first came, I never saw an opera house like this one. I can say, I felt like in heaven, and of course, having everything there, what else can you wish, except to be able to work and dance as much as possible and to give on stage all you can.
Do you think, you will ever return to Cuba?
Yes … I would love that.
Joel Suárez Gómez/Kuba – Sasha Waltz & Guests, Berlin
What are the reasons you went abroad?
In Cuba they have amazing dancers, guys of incredible power of execution, and with total physical understanding of dance, a little bit like dancing machines. But I want to see dance different, as an approach of movement. That’s hard to do there. After my education I joined Ballet Nacional in Havana, guesting around the world, later I changed to Danza Contemporánea for dancing modern. And there I met Juan, one of the leading dancers from Sasha Waltz.
Why did you decide this company?
Sasha Waltz is well known in Cuba. Four years ago she showed in Havana „Zweiland“, and I fell in love with this company. We had some workshops together, Juan Kruz Diaz de Garaio Esnaola came to teach and to choreograph for our company, and my love became bigger. When I was in Spain, he invited me for the audition for Sasha’s „Sacre“, and they gave me a contract. Three days before coming I met a nice girl in Hamburg – life is giving you some gifts.
What did you win by this step, and what did you possibly lose?
I’m too new here to answer that. The situation here is better for me even under financial aspects. It’s time to „explode“ in an artistic sense. I don’t think only in dance, I’m a physical guy and very visual. That’s why I was invited to design posters for the 11th Bienal de Artes Plásticas de La Habana. I don’t want to be just a dancer, that’s too few. I’m curious what to achieve with my movement. Our body is amazing but limited, mind is greater. I like to mix dance with technology, installation, and so on. I want to find myself as an artist.
Do you think, you will ever return to Cuba?
I could imagine to return, but Cuba didn’t care for me, the political and economical development goes too slow. I would love to teach at home, but it’s too hot there!
Fotos:
Elisa Cabrera und Mikhail Kaninsik © Enrico Nawrath
Leonard Jakovina und Elena Pris (Ballettgala) © Enrico Nawrath
Nikolay Golovanon © Sascha Radke
Joel Suárez Goméz © Bernd Uhlig