von Volkmar DRAEGER
Fliegend und flutend bewegen sich die zwölf Tanzenden über die Szene in der Berliner Spielstätte Radialsystem, mit vielfältigen Dreh- und Kippbewegungen, Sprungfolgen, unerwarteten Verharrungsmomenten. Prismatisch verengen und erweitern sich tänzerische Raumformen vor einer riesigen, variierend farbig angestrahlten Leinwand, sind strikt choreografiert und lassen dennoch genügend Freiheit zu eigener Mitgestaltung der Aktiven. Genau darauf ist „In C“ von Sasha Waltz angelegt: die 53 choreografischen Figuren, die sie zu Terry Rileys gleichnamiger minimalistischer Komposition von 1964 entwickelt hat, den Tanzenden zu kreativer Umsetzung in den Körper zu senken. Überraschend entstehen so Synchronpassagen, die sich wieder verlieren, entsteht vorübergehend Nähe, die sich erneut ins Individuelle auflöst.
In C – Sasha Waltz, Terry Riley, gemeinsam getanzt von Sasha Waltz & Guests und tanzmainz © Andreas Etter
Das 2021 ersonnene choreografische Material mit seiner variablen Struktur bietet die Möglichkeit zu immer neuen Variationen und war bereits in zehn Ländern und 24 Städten anverwandelt zu erleben, so auch im März als Übernahme am Staatstheater Mainz. Für Aufführungen um die 100. Vorstellung von „In C“ zeigte eine exakt zur Hälfte gemischte Kompanie aus Sasha Waltz & Guests und Mitgliedern von tanzmainz, wie jener Aneignungsprozess funktionieren kann. Zu Rileys verhaltener, gegen Ende peitschender Klangarchitektur, vom Kölner Ensemble Musikfabrik exzellent live gespielt, überzog der Tanz die Bühne rund 70 Minuten lang mit schier hinreißender Bewegungsfreude.