Glanz und Glamour der Ballroom-Tanzwelt – in der breiten Öffentlichkeit ist das nirgendwo sichtbarer als bei „Let‘s dance“, wo Promis an der Seite von Professionals elegant über Parkett schreiten oder zu härterem Beat die Bühne rocken. Die beste Reklame, wenn es darum ging, Nachwuchs für den Tanzsport zur rekrutieren – mit dem Funfaktor-Versprechen, dass man sich nur ein bisschen Mühe geben muss, und schon wird man Champion. Der Goldglimmer, der nach nunmehr sich ständig steigernden zehn Staffeln auf der Sendung liegt, weicht jetzt einer neuen Ernüchterung. Da geht es nicht so sehr um die Frage, wie gerecht oder wie subjektiv das Urteil der etablierten Fachjury wirklich ist.
Es geht vielmehr an den Kern des ganzen Geschehens, wenn das Publikumsvotum so hoch gehängt wird, dass es sich loslöst vom Sachverstand. Eine menschlich sicher sehr sympathische, aber tänzerisch eher schwächere Seriendarstellerin wird so gehypt, dass sie mit mageren Punkten in die nächste Runde einzieht und jemand, der doppelt so viele Punkte hat, ausscheiden muss. Da erübrigt es sich doch überhaupt, eine Jury zu installieren… Das bisher gefürchtete kritische Wort von Joachim Llambi zerfällt da wie in Hofmannsthal berühmtem „Chandosbrief“ wie modrige Pilze im Mund.
Ganz abgesehen davon: so ganz rein nach persönlichem Gusto sind die Fachjury-Urteile durchaus nicht. Da gibt es zu jedem vorgeführten Tanz ganz klare Techniken, deren Einhaltung durchaus objektiv beurteilt werden kann. Oder sollte sich da das Zeitalter des „Postfaktischen“ nicht nur in der Politik, sondern auch im Tanz outen? Wenn Votings und ganze Länderwahlen durch soziale Netzwerke beeinflusst werden, warum dann nicht auch die Tanzwelt?
In Intellektuellen-Kreisen hatte man schon immer einen Vorbehalt gegen das „Millionen-Fliegen-Prinzip“. Nicht egal sein dürfte das auch der „Let‘s dance“-Jury. So appellierte Llambi immer mal wieder an die Vernunft der Zuschauer, doch bitte ihre Stimme nicht nach Lust und Laune, sondern nach Leistung zu vergeben. Zum Halbfinale war es dann so weit, dass die Juroren mit den verbleibenden Kandidaten gut leben konnten. Aber Glanz und Glamour von „Let`s dance“ haben Risse bekommen. Bleibt abzuwarten, ob RTL im nächsten Jahr korrigierend eingreift, um das Zugpferd, für das es ja auch Fernsehpreise gab, wieder seriös attraktiv zu machen. Dem Zuschauer-Voting dieselbe Macht zu geben wie der Jury entwertet die Fachleute und enttäuscht das TV-Publikum, das nicht einen x-beliebigen, sondern den nach Leistung verdienten Champion bejubeln will. Vielleicht wäre es eine gute Idee, die in den vorigen Sendungen erzielten Plätze mit zu berücksichtigen, dann würde auch die Konstanz der Leistung mit einfließen, wenn es darum geht, die nächste Runde zu erreichen.
Ein weiterer „Schönheitsfehler“ haftet dieser Staffel an: noch nie war es zu so vielen Verletzungen gekommen. Gerade aussichtsreiche junge Herren hat es arg gebeutelt: Kreuzbandriss, gebrochener Mittelfußknochen, das liest sich wie die Verletztenliste eines Fußball-Vereins. Die Erwartungen haben sich so hochgeschraubt, dass ein Nichttrainierter ein täglich achtstündiges Tanztraining über lange Wochen hinweg nicht durchhält. Nicht nur die Promis waren betroffen. Auch die Professionals hatten zu kämpfen. Eine Wirbelsäulenverdrehung beim Aufwärmen hinderte Oana Nichiti daran, aufzutreten, so dass Kollegin Martha Arndt in kürzester Zeit einsprang – eine Glanzleistung der aktuellen Weltmeisterin. Viel spektakulärer noch stürzte Sergiu Luca mit seiner Promipartnerin Barbara Meier, die aber geistesgegenwärtig gut reagierte und womöglich mehr Punkte von der Jury einheimste, denn am Ende war sie so hellwach und so energetisch, wie man es nur irgend sein kann. Der Druck auf alle Beteiligten der Sendung ist so groß, dass nicht nur die ausgeschiedenen Kandidaten in Tränen ausbrechen, sondern auch die sie begleitenden Professionals.
Aber es gibt auch eine gute Nachricht von dieser „Let‘s Dance-Staffel“: Bemerkenswert, wie sich die „Oldies“, ob Damen oder Herren, schlagen und sich immer mal wieder die Höchstpunktzahl ertanzen.
Ute Fischbach-Kirchgraber