Editorial – Ausgabe Mai/Juni 2004
Was für einen Stellenwert hat der klassische Tanz eigentlich in unserer heutigen Zeit? Bei „Otto Normalverbraucher“ und gerade bei vielen jungen Leuten leider meist keinen allzu großen. Wenn man schon einmal ins Theater geht, dann sieht man sich lieber ein Musical oder vielleicht eine Komödie an oder man lauscht einem Konzert. Und die Jugend geht sowieso lieber ins Kino…
Genügend Gründe also für all diejenigen, die im Zeichen der allgemeinen Sparmaßnahmen den Rotstift zücken, ihn leider allzu häufig mit als erstes im Tanzbereich einzusetzen.
Müssen wir dies tatenlos hinnehmen als eine Tatsache, die sich nicht mehr ändern läßt? Nein! Aber was kann man tun? Demonstrationen und Streiks, wie in anderen Bereichen der Arbeitswelt üblich, sind wohl kaum eine geeignete Lösung, um unsere Arbeitsplätze im Umfeld von Ballett und Tanz zu sichern. Eine bessere Idee: Wir sollten die Menschen wieder oder neu für unsere Kunst begeistern! Ein Theater mit ausverkauften Ballettvorstellungen wird diese kaum aus seinem Spielplan streichen. Wie aber kann man die Menschen, vor allem auch die Jugend als das zukünftige Theaterpublikum, mit dem klassischen Tanz erreichen?
Wenn die Menschen nicht von allein zur Kunst kommen, dann muss die Kunst eben zu den Menschen kommen, sich ihnen als eine Bereicherung ihres täglichen Lebens anbieten. Die Berliner Philharmoniker haben diese Chance erkannt und gehen im Rahmen ihres Programms Zukunft@BPhil mit ihren Musik- und Tanzprojekten auf die Straße und in die Schulen. Und der Erfolg wie ausverkaufte Tanzvorführungen mit über 2000 Zuschauern gibt ihnen Recht. Hoffen wir, dass diese Idee viele Nachahmer findet, um die Zukunft des Tanzes – und damit auch die aller, die ihren Lebensunterhalt in diesem Umfeld verdienen, zu sichern.
Herzlichst,
Ihre Anja Stemmer