GALAS
Sie wuchern wie Pilzmycel: Galas. Des einen Freud, des anderen Leid, jeder mit stichhaltigen Argumenten. Wie in den gleichen Spektakeln des Opernbereichs reihen sich Konzertnummern zu Perlen eines bunten, häufig wenig kleidsamen Colliers. Pas de deux werden aus dem inhaltlichen Zusammenhang gerissen, stehen hilflos für sich, bleiben dem Unkundigen in ihrer Stückfunktion unverständlich. Zweitbeiträge werden mit heißer Nadel genäht, damit sich der Einsatz des Gaststars lohnt und sich seine Reisekosten amortisieren. Prominente, publikumswirksame Namen verlocken Fans und Neugierige zum Ticketkauf, denn aus den Einnahmen speisen sich die teils beträchtlichen Honorare der weitgereisten Tanzheroen. Bei Benefiz-Galas fließt der Erlös guten Zwecken zu, etwa der Stiftung Transition. Andererseits ist es den nicht selten mies bezahlten Tänzern kaum zu verdenken, wenn sie durch Galas ihr Salär in der eh kurzlebigen Berufskarriere aufbessern.
Bliebe das Für. Nicht jeder Tanzliebhaber kann auch nur in die nah gelegenen Compagnien fahren, um aufgehende Sterne am Ballettfirmament zu bestaunen. Da kommen international besetzte Galas recht. Wenn sie klug konzipiert sind, bieten sie nicht bloß das ausgelutschte klassische Funkelwerk, sondern machen auch choreografisch mit neuen Talenten, Handschriften, Tendenzen bekannt. Kurzweilig sind sie allemal, muss man doch nicht ewig ausharren, bis ein nerviger Beitrag vorbei ist: irgendetwas gefällt immer, und aufs Gefallen als ganz subjektives Kriterium reduziert sich der Gala-Genuss ohnehin.
Nicht anders bei der Neuauflage von „Malakhov & Friends“. Pikantes Moment: Mit diesem Trick kehrte der vormalige Intendant des Staatsballetts Berlin, unsanft, obwohl nicht ganz unverschuldet vom Sockel gestoßen, durch die Hintertür heim in die Stadt, in der er eine Eigentumswohnung besitzt und der nach eigener Aussage sein Herz gehört. Demonstrativ strömten Fans und Neugierige in den Admiralspalast. Gesponsert ist das Projekt von KPM, Friedrichs II. Königlicher Porzellanmanufaktur, wo man Malakhovs Schläppchen aus „weißem Gold“ nachformt.
Illuster die Schar der Gaststars vor jubelndem Haus, ausgewogen zwischen Klassik und Moderne das dreistündige Programm. Vom Staatsballett hatte Host Malakhov bewusst niemanden eingeladen, um Konkurrenz unter seinen einstigen Ensemblemitgliedern und auch zu seinem Nachfolger zu vermeiden. Eine internationale Tournee im Anschluss an die Premiere ist sein Wunsch.
Unbegreiflich, weshalb Béjarts läppische Paar-Petitesse zu fünf Bach-Cellosuiten im Programm ist und dann noch den Anfang bildet; bedauerlich auch für das Paar vom Béjart Ballet Lausanne. Die Überraschung des Abends: László Major und besonders der sehnige Daichi Uematsu vom Ballett Győr in zwei Arbeiten von László Velekei. Ihr adagioakrobatisches Männerduo und Uematsus Solo mit angeschnallten Handlampen ließen in der frischen Formfindung und der gespannten Gestaltung manch anderen Beitrag blass aussehen. Unter den Stars vom Mariinsky und vom Bolschoi, vom Miami City Ballet und Malakhovs neuer Wirkungsstätte Tokyo Ballet, mit Choreografien von Petipa bis Balanchine, stachen atemberaubend hervor: Lucia Lacarra und Marlon Dino aus München mit Traumduetten von Russell Maliphant und Gerald Arpino sowie als Finale Malakhov und Diana Vishneva in Hans van Manens altersweiser, berührend anverwandelter Miniatur „The Old Man And Me“. Beim Defilee der 17 Tanzaristokraten war er dann wieder da, jener Glamour, den Malakhov dem Staatsballett beschert hatte und der seinem Nachfolger Duato so ganz abgeht. Na dann doch: Let’s Gala again!
Autor: Volkmar Draeger
Foto: Vladimir Malakhov und Diana Vishneva © Irina-Tuminene
KURZE VORSCHAU DER AKTUELLEN AUSGABE