Liebe Leserinnen und Leser,
bei seinen Vorbereitungen für das Ballett „Raymonda“ suchte Marius Petipa nach einem geeigneten Komponisten. Tschaikowski, mit dem ihn eine perfekte Zusammenarbeit verbunden hatte, war 1893 unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen gestorben. Ein Nachfolger erwuchs dem bereits 80-jährigen Meister in dem jungen Alexander Glasunow, mit Anfang 20 am Beginn einer großen Karriere. „Ich bitte Sie, Monsieur Glasunow, dass dies Melodien werden, die dem Ohr schmeicheln, vermeiden Sie Gleichförmigkeit“, wies er ihn in einer Notiz auf dem Libretto an. Die Premiere Anfang 1898 am Sankt Petersburger Marien-Theater wurde Petipas letzter Erfolg. Von heute besehen wirkt die Geschichte vom guten Christenmenschen und ruhmreichen Kreuzfahrer Jean de Brienne, der den bösen Sarazenen, Moslem und Rivalen Abderachman im Duell tötet, heikel. Die „Rache“ findet sich schon im Ballett selbst: Abderachmans fulminante Tänze und die seiner Entourage sind bei weitem die spannendsten Teile dieses Werks.
Gonzalo Galgueras gelungene Neuinszenierung in Magdeburg wertet die Figur des Sarazenen menschlich auf und mildert so den fatalen Unterton, wobei in Petipas Libretto der Sarazene zwar in Ketten geschlagen, nicht jedoch getötet wird. Die Magdeburger Aufführung darf auch als Beitrag zum 200. Geburtstag Petipas gesehen werden, der ebenso wie Karl Marx 1818 das Licht der Welt erblickte. Und sie feiert das 120. Jubiläum von „Raymonda“, die nur selten westliche Bühnen erreichte. Lesen Sie im vorliegenden Heft Rezensionen zu dieser Inszenierung, zum Dresdner „Sommernachtstraum“, zu zwei Neubesetzungen von Crankos „Onegin“ in Paris, zur Abschiedspremiere von Eric Gauthier in Stuttgart und zum Gastspiel des Saarländischen Staatstheaters in München.
Wie gewohnt dürfen Sie sich zudem über ausführliche Interviews mit namhaften Tänzern freuen, diesmal mit Valentine Colasante von der Pariser Oper, Berlins neuem Ersten Solisten Daniil Simkin, über die weiteren Pläne von Eric Gauthier und Ayako Nakano aus Basel. Zu Wort kommt mit Pierre Dulaine ebenso der Gründer von „Dancing Classroom“, einem weltweiten Sozialprojekt für Tanz in Schulen.
Sie sehen, liebe Leserinnen und Leser, der Blick in die Welt des Tanzes ist wieder weit gerichtet – in der Hoffnung, Sie gut zu informieren und zu unterhalten. Wir wünschen Ihnen erhellende Lektüre in frühlingslauer Jahreszeit!
Volkmar Draeger
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