Man sollte meinen, der Tanz bietet Frauen mehr Karrierechancen als die freie Wirtschaft. Schließlich ist Tanzen – vor allem das Ballett – eine Frauendomäne. Die meisten Ballettschulen wünschen sich händeringend mehr Jungs und im Profi-Bereich sieht es nicht viel anders aus. Angehende Tänzer können sich darüber nur freuen. In Auditions haben junge Männer schon allein deshalb mehr Chancen, weil die gleichgeschlechtliche Konkurrenz extrem viel geringer ist.
Einmal in der Profi-Liga angekommen, ist der Weg zum Ballettdirektor auch nicht mehr weit. Da könnten die Frauen ja wieder Konkurrenz machen, müssten statistisch in der Mehrheit sein – sind sie aber nicht. Ein Blick auf die Bundesdeutsche Ballett- und Tanztheaterdirektoren-Konferenz genügt: Gerade einmal acht der 27 Teilnehmer (rund 30 Prozent) sind Frauen. Das entspricht in etwa den Verhältnissen der freien Wirtschaft: Laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stagniert der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft schon seit Jahren bei 27 Prozent. “Dies entspricht jedoch bei Weitem nicht dem Anteil hochqualifizierter Frauen”, ist auf der Internetseite des Ministeriums zu lesen. Im Tanz kann es wohl kaum anders sein.
Woran erfahrene Tänzerinnen und Choreografinnen letztlich scheitern, lässt sich nur vermuten. Ein Grund ist sicher die Familienplanung. So manche Ballerina bekommt, wenn nicht während, so nach ihrer aktiven Zeit auf der Bühne, noch Kinder, muss also – wie alle anderen Arbeitnehmerinnen auch – darum kämpfen, die Betreuung der Kleinen und den Beruf unter einen Hut zu bekommen. Am Theater, wo Einsatz rund um die Uhr gefragt ist, eine harte Herausforderung. Vielleicht haben Männer auch die „besseren Ellenbogen“ – um das kreative, weibliche Potenzial ist es letztlich schade. Für Intendanten wäre das doch ein guter Vorsatz für das Neue Jahr: mehr auf die Frauen schauen! Mit einigem Engagement ist vielleicht sogar die ein oder andere Theater-Kita drin. Schön wär´s!
Isabell Steinböck