Der französische Tänzer und Choreograf Éric Vu An, ein großer Star der 1990er Jahre, ist am 8. Juni in Nizza verstorben.
Vu An wurde am 3. Januar 1964 geboren, studierte als eines der ersten gemischtrassigen Kinder an der Schule der Pariser Opéra und wurde im Alter von 15 Jahren mit einer Ausnahmegenehmigung ins Corps de ballet aufgenommen. 1983 besetzte ihn Ballettdirektor Rudolf Nurejew als Basilio in „Don Quixote“, von da an war sein Aufstieg unaufhaltsam. Er gehörte zu den ersten Tänzern der „goldenen Generation“ mit Kollegen wie Sylvie Guillem, Manuel Legris oder Laurent Hilaire. Choreografen wie William Forsythe, Alvin Ailey oder Carolyn Carlson schufen Werke für ihn, Maurice Béjart besetzt ihn in seinem „Boléro“ und kreierte später die Hauptrolle des Handlungsballetts „Kabuki“ für ihn, mit der Vu An u.a. auch mit dem Tokyo Ballet in Stuttgart gastierte. Bei aller eleganten Technik besaß Vu An ein großes persönliches Charisma und dramatische Darstellungskraft, sein Tanz war von samtener Sinnlichkeit.
Seine Karriere an der Opéra wurde jäh unterbrochen, als ihn Maurice Béjart 1986 nach der Uraufführung seines Werkes „Arepo“ zum Étoile ernannte, gemeinsam mit Manuel Legris; beide waren erst Sujets und hätten den Rang des Premier Danseur übersprungen. Nurejew widerrief die Ernennung, da sie nur der Opernintendant auf Vorschlag des Ballettdirektors vornehmen darf, aber kein Gastchoreograf. Legris blieb in der Kompanie und wartete auf seine Ernennung, die er nur wenig später von Nurejew erhielt. Vu An aber verließ nach dem Skandal die Pariser Opéra und folgte Béjart, der ihn allerdings nicht in seine Kompanie aufnahm. Vu An kehrte als Gastsolist in die Opéra zurück und machte gleichzeitig Karriere als internationaler Startänzer.
1989 begann er zu choreografieren, 1995 wurde er zum Direktor des Balletts am Grand-Théâtre von Bordeaux ernannt und 1997 zum Direktor des Balletts von Avignon; in beiden Kompanien brachte er Klassiker wie „Don Quixote“, „Raymonda“ oder „Coppélia“ auf die Bühne. Von 2005 bis 2009 war er Ballettmeister am Ballet National de Marseille unter Direktor Frédéric Flamand, 2009 wurde er zum Direktor des Ballet Nice-Méditerranée in Nizza ernannt, der letzten echten Ballettkompanie in Südfrankreich.
Seinen asiatischen Namen hatte Éric Vu An Binh von seinem vietnamesischen Pflegevater bekommen, seine Mutter war Französin. Sein leiblicher Vater stammte aus Guadeloupe, er fand ihn nach langer Suche erst im Alter von 30 Jahren. Der Tänzer und Ballettdirektor war mit Hugues Gall verheiratet, der von 1995 bis 2004 Intendant der Opéra in Paris war. Gall verstarb am 25. Mai, nur wenige Tage vor Vu An, der seit 2022 an einem Gehirntumor litt. Beide wurden auf dem Friedhof von Giverny beerdigt.