“A first Date” ist die erste Kreation, mit dem sich der neue Ballettdirektor und Chefchoreograf des Ballett am Rhein als Nachfolger von Martin Schläpfer dem Publikum vorstellt. In drei Episoden zeigt die neugebildete Compagnie, welches Potential sie hat. A first Date ist ein erstes, sehr persönliches Kennenlernen in Coronazeiten. Viola Gräfenstein besuchte die dritte Premiere: Episode 3.
Ein erstes Date ist immer sehr aufregend. Man weiß nie, was passiert und wen man vor sich hat. So auch bei der Begegnung mit dem neuen Ballettchef Demis Volpis und seiner neuformierten Compagnie Ballett am Rhein. Es ist zunächst ein vorsichtiges Kennenlernen. Die Spannung steigt. Eine Tür öffnet sich. Die Bühne bleibt dunkel. Plötzlich erscheint ein Tänzer in dem lichtdurchfluteten, weißen Türbogen und streckt seinen rechten Arm weit, wie zu einer Begrüßung, aus. Zu Trommelwirbeln einer militärischen Marschmusik bewegt er sich mit eckigen Bewegungen und wirbelnden Armen Stück für Stück nach vorne. Dann taucht eine Tänzerin in schwarzem Rock und weißer Bluse auf, die sich auf Spitze nach vorne tanzt. Es bleibt förmlich und distanziert. Die beiden scheinen sich nicht einmal wahrzunehmen. Jeder ist suchend mit sich selbst beschäftigt. Es gibt keinen Blickkontakt. Schließlich kommen vier weitere Tänzer hinzu. Dem Takt der Trommeln folgend, bewegen sie sich mechanisch durch den Raum. Zu einer richtigen Begegnung kommt es in Demis Volpis „Big Blur“ nicht. Trotz des Titels „A First Date“ scheint sich das Thema Abstand fast durchgehend durch alle Stücke zu ziehen, die das Publikum auch an diesem Premierenabend erlebt. Aus den First Dates macht Volpi kleine tänzerische Treffen auf Distanz.
Ein Stück, drei Premieren
Drei Teile hatte der deutsch-argentinische Choreograf als Debüt für seine 45 Tänzerinnen und Tänzer aus 20 Nationen Compagnie Ballett am Rhein geplant. Jede Episode des „A First Date“ wird von zwei Tänzergruppen gestaltet, die wegen der geltenden Corona-Schutzmaßnahmen getrennt voneinander geprobt haben und sich auch auf der Bühne nicht begegnen und wenn, dann teilen sie sich einen Haushalt. Im dritten Teil von „A First Date“ präsentiert Demis Volpi Ausschnitte aus seinen Choreografien „Big Blur“, „Chalkboard memories“, „Quasi una fantasia“ und „Elegie“. Abgerundet wird der Teil mit dem Stück „Love Song“, das der russische Tänzer und Choreograf Andrey Kaydanovskiy 2014 für das Wiener Odeon Theater kreiert hatte.
Schon das erste Stück „Big Blur“ der dritten Premiere Episode 3 seiner First-Date-Serie trägt die erzählerische Handschrift des Neuchefs aus Stuttgart. Die Choreografien bestehen aus einem Mix aus soliden-klassischen und dynamisch-modernen Tanzschritten. Seine Tanzsprache ist spannungsvoll, unterhaltsam und erzählerisch zugleich. Demis Volpi stammt aus Argentinien. Zuvor war der preisgekrönte Choreograph unter anderem für das Stuttgarter Ballett tätig, bei dem er auch ausgebildet wurde.
Ein Film zum Kennenlernen
Nach Schläpfer bringt der 33-Jährige seinen ganz eigenen Stil mit, den das Publikum in drei Episoden, kennenlernen darf. Das Geschichtenerzählen gehört zu seinen Stärken. So liegt es nahe, dass er dem Publikum seine neu zusammengestellte Compagnie per Film sehr persönlich präsentiert. Das Publikum lernt die neuen und die bestehenden Mitglieder des Ballett am Rhein wie unter einer Lupe individuell kennen. Die Tanzbedingungen unter Corona-Hygieneregeln werden für die 45 Tänzerinnen und Tänzer aus 20 Nationen damit sogar zu einem Vorteil. Alle Tänzer dürfen ihre Geschichten und Eindrücke erzählen und kommen dem Publikum trotz der Leinwand auf diese Weise berührend näher. Die aus Los Angeles stammenden Künstlerin Daisy Long hat die Tänzerinnen und Tänzer in den ersten Tagen des Probenbetriebs in Düsseldorf und Duisburg mit der Kamera bei den Proben und beim Training begleitet und stellt sie in etwa fünfzehnminütigen Filmsequenzen dem Publikum vor. Alle erzählen sehr persönlich, was sie in Coronazeiten bewegt, wie sie in die Compagnie aufgenommen wurden, was das Engagement für sie bedeutet und wo sie die Herausforderungen sehen. Durchgehend spürbar ist das Feuer, das in den jungen Tänzerinnen und Tänzern zu brennen scheint, sich endlich nach langer Abstinenz auf der Bühne zeigen zu dürfen. So wird jeder Auftritt zu einer kleinen Soloshow, in dem sich alle Tänzer bestmöglich präsentieren dürfen.
Duette als Visitenkarten
Nach der kurzen Kinoepisode folgen vier Duette. Schon auf den ersten Blick kristallisieren sich zukünftige Talente und weitere Hoffnungen für das Ballett am Rhein heraus. In den vier Duetten, „Elegie“, „Quasi una Fantasia“, Chalkboard Memories“ sowie „Love Song“, begeistern die Tänzerinnen und Tänzer das Publikum. Rashaen Arts, dem Publikum als Prinz Siegfried aus Martin Schläpfers „Schwanensee“ bekannt, überzeugt in „Elegie“ auch hier mit seiner energetischen Ausdruckskraft, großem Charme und seiner außerordentlichen Körperbeherrschung. Futaba Ishizaki Tanz bildet einen schönen Kontrapunkt, den sie mit ihrer ausdrucksvollen Eleganz und technischen Präzision verstärkt. Beide interpretieren das Stück „Elegie“ mit einer Energie, die das Publikum mitreißt. Aber auch die anderen sechs Tänzerinnen und Tänzer können in ihren Duetten zeigen, wie sie aus kleinsten Bewegungen etwas Großes, sehr Individuelles machen. In „Quasi una Fantasia“ harmonieren Maria Luisa Castillo Yoshida in weißem Frack und das junge Neutalent Courtney Skalnik in einem Vogelfederkostüm als ausdrucksstarke Gegensätze. Niklas Jendrics und Edvin Somai interpretieren Demis Volpis Choreographie „Chalkboard Memories“ kraftvoll und zugleich poetisch-einfühlsam. Gefühle spielen auch im letzten Stück eine große Rolle. In „Love Song“, das der russische Tänzer und Choreograf Andrey Kaydanovskiy 2014 für das Wiener Odeon Theater kreiert hatte, tanzen Feline van Dijken und Eric White zu dem Klassiker „Ne me quitte pas“ von Jacques Brel. Das Paar, das sich einen Haushalt teilt, zeigt ein humorvoll-einfühlsames getanztes Stück über Nähe und Distanz, Verliebtsein und der Angst vor dem Verlassenwerden. Hier endet das „First Date“ sogar mit einem Happy End: Beide Tänzer liegen sich zum Schluss in den Armen. Wie getanzte Visitenkarten zeigen die verschiedenen Stücke die Vielseitigkeit des Choreografen und der neuformierten Compagnie. Die erste Begegnung ist auf allen Seiten geglückt. Noch sieht man, dass sich die erfahrenen und die neuen Tänzerinnen und Tänzer mit ihrem Choreografen in einem Findungsprozess befinden. Doch schon bald wird die Compagnie in den nächsten Stücken dem Publikum zeigen können, ob sie es geschafft hat, sich unter Demis Volpis Leitung noch stärker zusammenfinden. In weiteren Dates mit dem neuen Ballett am Rhein.
Viola Gräfenstein